Memory of Water

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Die natürlichen Ressourcen werden immer knapper. Und doch scheinen viele Menschen vor dieser Entwicklung die Augen zu verschließen, konsumieren und verbrauchen, als stünde uns alles in unerschöpflichem Maße zur Verfügung. Im Kino hingegen befassen sich in den letzten Jahren zahlreiche Filme mit der Frage, was passieren könnte, wenn wir unseren Heimatplaneten bis zum Äußersten auspressen würden. Dystopische Szenarien haben Hochkonjunktur, wobei die großen Entdeckungen oft abseits der hochbudgetierten Hollywood-Streifen zu finden sind. Im Herbst 2022 schlug auf den deutschen Leinwänden etwa die litauisch-französisch-belgische Koproduktion „Vesper Chronicles“ auf, die mit offenkundig begrenzten Mitteln ein faszinierendes Endzeitsetting entwirft und eine Teenagerin auf eine ergreifende Heldenreise schickt. Mit „Memory of Water“, einer Adaption des finnischen Bestsellers „Der Geschmack von Wasser“ von Emmi Itäranta, erreicht uns ein weiteres Science-Fiction-Drama, das trotz finanzieller Beschränkungen einige Überraschungen bereithält. Für die Musik war übrigens der deutsche Komponist Volker Bertelmann verantwortlich, dessen Score zu „Im Westen nichts Neues“ im Frühjahr 2023 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

Webseite: https://www.realfictionfilme.de/memory-of-water.html

Veden vartija
Regie: Saara Saarela
Drehbuch: Ilja Rautsi nach Emmi Itärantas Roman „Der Geschmack von Wasser“
Darsteller: Saga Sarkola, Mimosa Willamo, Lauri Tilkanen, Pekka Strang, Kheba Touray, Minna Haapkylä, Lyydia Mörä u. a.

Länge: 101 Minuten
FSK: noch keine Angaben
Verleih/Vertrieb: Real Fiction Filmverleih
Kinostart: 08.06.2023

FILMKRITIK:

Der Titel bringt es bereits auf den Punkt: Wasser ist in der hier entworfenen Zukunftswelt fast nur noch eine schöne Erinnerung. Erdfarbene Bilder künden von einer allumfassenden Trockenheit. Das, was an trinkbarer Flüssigkeit noch existiert, wird strengstens rationiert. Eine Militärregierung überwacht das Leben in der sogenannten Skandinavischen Union. An jeder Ecke: Soldaten und aufmerksame Drohnen, damit nur ja kein Wasserverbrechen verborgen bleibt. Wer sich heimlich etwas abzwackt, wird rigoros bestraft und – rote Kreuze an den Hauswänden zeigen es an – als kriminell gebrandmarkt.

Inmitten dieser auf Repression gegründeten Gesellschaft bereitet sich die junge Noria (Saga Sarkola) darauf vor, das traditionsreiche Erbe ihres kürzlich verstorbenen Vaters anzutreten. Als neue Teemeisterin soll sie das Wissen um eine geheime Süßwasserquelle bewahren. Kleine Mengen reicht sie immer wieder an ihre beste Freundin Sanja (Mimosa Willamo) weiter, deren Tochter schwer erkrankt ist. Bekanntschaft macht Noria mit einem jungen Mann namens Taro (Lauri Tilkanen), der in ihre Region geschickt wurde, um die Wasserverteilung zu optimieren. Als alte Audioaufzeichnungen sie auf die Spur einer großen Lüge führen und Hoffnung auf größere Wasservorkommen nähren, will sie eine gefährliche Erkundungsreise in Angriff nehmen. Ein Vorhaben, dem Sanja zunächst kritisch gegenübersteht.

Dass die Macher rund um Regisseurin Saara Saarela keine sprudelnden Geldquellen anzapfen konnten, lässt sich in manchen Momenten nicht verhehlen. Dennoch erschaffen sie ein mit interessanten Details gespicktes, erstaunlich glaubhaftes dystopisches Universum. Spannend ist vor allem die Symbiose von hochmoderner Technik, beispielsweise Hologrammen, und eher maroden Gebäuden, die eine klassische postapokalyptische Aura verströmen. Schrott spielt im Szenenbild eine nicht unwesentliche Rolle. Regelmäßig begibt sich Sanja auf Streifzüge, um aus alten, weggeworfenen Gegenständen Hilfsmittel zu basteln. Einen optischen Kontrapunkt zum vorherrschenden Grau-Braun setzt der Film mit der geheimen Quelle, die Noria in einer Höhle findet. Beinahe magisch wirkt das funkelnde Blau des Wassers.

Handwerklich und atmosphärisch weiß „Memory of Water“ zu überzeugen. Knifflig wird es allerdings beim Drehbuch. Noria könnte eine aufregende Heldin sein, bleibt letztlich aber etwas konturlos, was auch für die anderen Figuren gilt. Die Annäherung zwischen ihr und Neuankömmling Taro wird etwas halbherzig aufgezogen und mündet in eine Offenbarung, die niemanden ernsthaft aus den Socken hauen dürfte. Ebenfalls störend sind einige überexplizite Dialoge. Gegen Ende zieht der lange Zeit eher bedächtig voranschreitende Science-Fiction-Streifen das Tempo zwar noch einmal an und wartet mit imposanten Bildern einer kargen, verlassenen Landschaft auf. Kaschieren kann er seine dramaturgischen Holprigkeiten damit jedoch nicht. Form und Inhalt gehen unter dem Strich zu oft auseinander, um aus der Romanadaption einen rundum gelungenen Film zu machen. Festhalten wollen wir dennoch: Fans dystopischer Welten bekommen auf visueller Ebene mehr geboten, als man von einer verhältnismäßig kleinen europäischen Koproduktion erwarten kann.

Christopher Diekhaus