Mensch Kotschie

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Mit 50 schliddert der brave Familienmensch Kotschie in die Sinnkrise. Das schöne Eigenheim wird zum goldenen Käfig, die Familie in ihrer ritualisierten Kommunikationslosigkeit zur Belastung und der Bürojob, mit der scheinbar intriganten Kollegenschaft, zur Bedrohung. Kotschies Krise führt zum Ausbruch. Es beginnt eine Odyssee, hin zu neuen Ufern und den eigenen Wurzeln. Norbert Baumgartner bemüht sich bei seinem komischen Krisenszenario um beredte Bilder und absurden Humor. Ein Unterfangen, bei dem sich die Regie mitunter verhebt, weil die Bildsprache phasenweise zu nichtssagend und der Humor zu schlicht bleibt. Im Gegenzug gibt es aber immer wieder gelungene Vignetten subtiler Alltagsbeobachtungen und einen gutaufgelegten Hauptdarsteller Stefan Kurt, der den Film auch dann auf Linie hält, wenn die Story arg ins Schlingern gerät.

Webseite: www.falcom.ch

Deutschland 2010
Regie: Norbert Baumgartner
Darsteller: Stefan Kurt, Claudia Michelsen, Ulrike Krumbiegel, Axel Werner, Max Mauff
Start: 18.3.
Länge 98 Minuten
Verleih: Falcom (24 Bilder)

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Pünktlich zum 50. Geburtstag überkommt den biederen Bauleiter Jürgen Kotschie (Stefan Kurt) eine tiefe Sinnkrise. Dabei hatte der freundliches Familienvater sorgsam darauf geachtet, alles richtig zu machen. Jetzt sitzt er da in seinem gepflegten Eigenheimdasein und muss erschrocken feststellen, dass seine Konturen genau so zu verschwimmen scheinen wie die Milch, die er sich in den Kaffee schüttet. Sein soziales Umfeld kann ihm da auch keinen Halt mehr bieten. Die Ehefrau verwirrt ihn mit immer neuen Vorschlägen für die anstehende Feier, der eigene Sohn scheint ihm fremd, wie er da stumm beim gemeinsamen Mal sein Essen in sich hineinschaufelt, und der demenzkranke Vater wirkt wie ein böses Ohmen auf die eigene Zukunft. Auch im Büro beginnen die Dinge langsam aus dem Ruder zu laufen. Kotschie wird nachlässig und verschludert ein wichtiges Bauvorhaben. Misstrauisch beobachtet er die Kollegen, die sich plötzlich alle gegen ihn zu stellen scheinen. Selbst harmlose Alltagstätigkeiten werden plötzlich zu Herkulesaufgaben, bei denen er allzu trottelig an den Tücken des Objekts scheitert.

Nur seine Träume bieten ihm noch Trost. Dort findet er sich unter einem idyllischen Baum mit seiner ehemaligen Geliebten Carmen wieder, mit der er in der Mitte seiner Ehe eine Affäre hatte. Unschlüssig, ob er vielleicht damals mit Carmen einen anderen Weg hätte einschlagen sollen, setzt er sich ins Auto und fährt einfach drauflos, auf der Suche nach Antworten.

Sinnkrisen sind zur Zeit gefragt im Kino. Die Coen-Brüder schicken in „A Serious Man" ihren Helden auf einen Hiobtrip und Corinna Harfouch sucht in „Guilias Verschwinden“ im Gespräch mit einem Fremden den Ausweg aus der Angst vor dem Altern. Bei der stillen Komödie von Norbert Baumgarten („Befreite Zonen“) stellen sich weder große Katastrophen ein noch tiefschürfende Gespräche. Sein Held schliddert ganz subtil in die Schräglage, bis sein Alltag gänzlich ins Absurde abgleitet. Baumgarten illustriert den Zustand Kotschies lieber in beredten Bildern. Dabei mischen sich in elegante Aufnahmen aus Kotschies heiler Welt immer öfters Ausflüge ins Groteske.

Wie sein Held verliert allerdings auch der Film immer öfters die Kontrolle über die Bilder. Manch eine Allegorie wirkt aufgesetzt und vielen lustig gemeinten Szenen mangelt es an der nötigen Frische und Spritzigkeit, um wirklich zu überzeugen. Immer wieder erweist sich Baumgartners Suche nach den Pointen in den Bildern als Fehlgriff. Es ist dem beherzten Spiel von Stefan Kurt zu verdanken, dass der Film in den Phasen des drohenden Stillstands nicht gänzlich ins Stocken gerät. Kurt gibt dem Mann ohne Eigenschaften die nötigen Konturen und rettet auch mit seinem komödiantischen Talent so manche misslungene Pointe. Dem Anspruch, die Geschichte über die Bilder zu erzählen, kann Baumgarten nur bedingt gerecht werden. Dafür, dass der Zuschauer bei der Odyssee des Menschen Kotschie dennoch mit an Bord bleibt, gilt der Dank an Stefan Kurt.

Norbert Raffelsiefen

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