Meteora

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Mit seinem zweiten Spielfilm präsentiert sich der Grieche Spiros Statoulopoulos als ein unglaublich wandlungsfähiger Filmemacher und große Hoffnung für das internationale Arthouse-Kino. War sein in Cannes gezeigter Erstling „PVC-1“ ein vor Spannung und Tragik vibrierender Thriller, den er in einem ungeschnittenen Take filmte, geht Statoulopoulos jetzt stilistisch völlig andere Wege. „Meteora“ ist eine stille, zeitlose Allegorie auf die Liebe – hier verkörpert von einem griechischen Mönch und einer Nonne.

Webseite: www.kairosfilm.de

Griechenland/Deutschland 2012
Regie, Kamera, Ton: Spiros Statoulopoulos
Buch: Asimakis Pagidas, Spiros Statoulopoulos
Darsteller: Theo Alexander, Tamila Koulieva, Giorgios Karakantas, Dmitris Hristidis
Länge: 80 Minuten
Verleih: Kairos Film
Deutsche Fassung und OmU
Kinostart: 12. Juni 2014

FILMKRITIK:

Wenn Theodorus ( Theo Alexander) und Urania (Tamila Koulieva) sich sehen wollen, müssen sie einen weiten Weg auf sich nehmen. Theodorus steigt eine steile Treppe hinunter, Urania wird in einem Netz einen gähnenden Abgrund hinuntergelassen. Die beiden leben in zwei Klöstern der berühmten Meteora-Anlage, die auf steilen Felsen gebaut wurde. Und sie sind Mönch und Nonne. Die beiden versuchen alles, um einander zu vergessen. Urania verbrennt sich sogar immer wieder an einer Kerze, um sich für ihre sündigen Gedanken zu bestrafen. Schließlich haben beide ihr Leben eigentlich der alleinigen Hingabe an Gott geweiht. Aber es hilft nichts, die – auch sexuelle – Zuneigung ist einfach zu stark.
 
Wer das Debüt Spiros Statoulopoulos gesehen hat, wird den Film ganz sicher nie vergessen. „PVC-1“ ist eine nervenzerrüttende Erfahrung. Der Regisseur, der mit acht Jahren mit seinen Eltern nach Kolumbien zog und dort auch Film studierte, rechnet damit auf dramatische Weise mit der obszönen Kriminalität in dem Land ab. Welchen Gegensatz bietet nun „Meteora“, mit dem Statoulopoulos sich seiner Heimat Griechenland nähert! Man spürt, dass sich dort jemand seiner Wurzeln versichert – die Klöster sind weltbekannt, der Film taucht tief ein in die Kulturgeschichte Griechenlands. Aber „Meteora“ hält sich fern von einem touristisch geprägten Blickwinkel.
 
Die allegorische Geschichte verhandelt vielmehr zeitlose Themen wie den Widerspruch zwischen spiritueller Hingabe und weltlichem Begehren. Statoulopoulos zeigt beide Figuren in ihrem jeweiligen Alltag, der auf strengen Ritualen beruht. Ihr gegenseitiges Begehren aber höhlt das Beten und Singen in seiner spirituellen Bedeutung gleichsam aus. In ihrem „privaten“ Leben wirken die beiden viel lebendiger, etwa wenn Theodorus sich mit einem alten Bauern trifft und dessen Geschichten lauscht. Um die Gefühlswelt der Hauptfiguren zu verdeutlichen, bedient sich Statoulopoulos eines geschickten Kunstgriffes: Im Stil von Ikonen animierte Sequenzen verdeutlichen den Zwiespalt, in dem sie sich befinden. Der Regisseur selbst verweist darauf, zentrale Bedeutung habe der Raum zwischen Himmel und Erde: „Dies ist die Zone der Zweifel, der inneren Konflikte, der Entscheidungen.“
 
Die andere zentrale Rolle spielt die traumhaft schöne – und allegorisch aufgeladene – Bildsprache. Statoulopoulos studierte intensiv die klimatischen Gegebenheiten des Drehortes; den Nebel am Morgen, das zarte Licht des Vormittags, die sengende Hitze des Nachmittags. Dem Regisseur, der selbst für den Ton sorgte und die Kamera bediente, gelang es so, das unwirklich schöne Licht in all seinen Facetten aufzufangen und zu einem weiteren Hauptdarsteller seines Films zu machen. Auf der Bühne der mächtigen Natur erscheint der Mensch mit seinen Kämpfen winzig und unerheblich. Umso stärker betont der Film die Zeitlosigkeit seiner Geschichte, die so im Mittelalter oder auch in der Gegenwart spielen könnte. Spiros Statoulopoulos katapultiert sich mit „Meteora“ nun ganz offiziell in die Liga der spannenden Regisseure, auf die man in Zukunft ein Auge haben sollte.
 
Oliver Kaever