MicMacs – Uns gehört Paris!

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Gleich zweimal macht Bazil mit Produkten der Waffenindustrie böse Erfahrungen. Bis er mit seinem Freunden, einer Gruppe wunderlicher Außenseiter, beschließt, den Schreibtischtätern an der Konzernspitze ein Schnippchen zu schlagen...
"Micmacs" ist nach "Delicatessen" und "Die fabelhafte Welt der Amelie" ein neuer Film von Jean-Pierre Jeunet. In seiner fabelhaften Filmwelt eines zeitlos poetischen Paris fügen sich Kreativität und Komik zu bestem Kintopp. Mitten drin Dany Boon ("Willkommen bei den Sch'tis"), der mit beschwingter, chaplinesquer Komik das Publikum durch den skurrilen Spielzirkus führt.

Webseite: www.kinowelt.de/kino

OT: Micmacs À Tire-Larigot
Frankreich 2009.
Regie: Jean-Piere Jeunet
Darsteller: Dany Boon, Dominique Pinon, André Dussolier, Yolande Moreau, Jean-Pierre Marielle
Länge: 104 Min.
Start: 22.7.2010
Verleih: Kinowelt

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Das Leben hat es bislang nicht gerade gut gemeint mit Bazil. Zuerst raubt ihm eine Landmine in Nordafrika den Vater, worauf die Mutter in die Nervenheilastalt und der Junge ins freundlose Kinderheim muss. Später ist es wieder ein Produkt der Waffenindustrie, das den jungen Mann aus seinem Alltag reißt. Ein verirrte Kugel beendet Bazils (Dany Boon) sorglose Dasein als Angestellter einer kleinen Videothek. Als er nach Tagen aus dem Koma erwacht, ist sein Job neu vergeben und seine Wohnung aufgelöst. Dafür hat er nun eine Kugel in seinem Kopf, die nicht entfernt werden kann.

Zum zweiten Mal aus dem Leben gerissen, landet Bazil auf der Straße. Hier lernt er den schrulligen Schrotthändler Canaille kennen. Dieser macht ihn mit einer wunderlichen Truppe von Außenseitern bekannt, die sich in einem geheimen Gewölbe des Schrottplatzes gemeinsam ein neues Zuhause geschaffen haben. Unter der mütterlichen Regentschaft der Köchin Cassoulette (Yolande Moreau) lebt die Gruppe in einer wundersamen Welt voller nostalgischer Fundsachen und poetischer Artefakte, die der Tüftler der Truppe, Petit Piere, aus Schrottteilen zusammenbaut. Gestärkt durch die neue Gemeinschaft, macht sich Bazil daran, endlich mit den beiden Verantwortlichen abzurechnen, die mit den Waffenproduktionen ihrer Fabriken soviel Elend in sein Leben und das vieler anderer Opfer gebracht haben. Bei seinen Nachforschungen findet er heraus, dass die beiden Fabriken der Waffenproduzenten nicht nur vis à vis voneinander liegen, sondern die Besitzer untereinander auch verfeindet sind. Bazil und seine neuen Freunde schmieden einen Plan, der die skrupellosen Waffenproduzenten nach allen Regeln der Kunst gegen einander ausspielen soll, um ihnen für immer das Handwerk zu legen. Dabei kommt Bazil zu Gute, dass jeder aus der Truppe über ganz besondere Fähigkeiten verfügt...

Zwei Jahre hatte Jean Piere Jeunet an der Realisierung der Romanverfilmung „Schiffbruch mit Tiger“ gearbeitet, bis das Projekt aus Kostengründen scheiterte. Mit der beschwingten Komödie „Micmacs“ filmte sich der Franzose nun den Frust von der Seele. Der skurrile Spaß verbindet die „Rififi-Raffinesse“ aus „Mission Impossible“ mit der nostalgisch anmutenden poetischen Bilderwelt von Jeunets Filmen „Die wunderbare Welt der Amélie“ und „Delicatessen“. Herz des Filmes ist Frankreichs neuer Superstar Dany Boon („Willkommen bei den Sch´tis“) der hier als gewitzter Tramp auf den Spuren von Charlie Chaplin wandelt. Sein Spiel versprüht genau den richtigen Zauber, um die überbordende Fantasie von Jeunets Kinowelten nicht zum schieren Selbstzweck werden zu lassen. Eine schauspielerische Qualität, wie sie damals auch Audrey Tautou als Amélie in den Film einbrachte. So kann sich der Betrachter ganz der kindlichen Freude am Kampf von David gegen Goliath hingeben. Eine Schlacht, in der sich Kreativität und Komik zu bestem Kintopp vereinen und die am Ende vor allem einen Sieger kennt: den Zuschauer.

Norbert Raffelsiefen

Basil sitzt an seinem Arbeitsplatz. (Ein Trauma hat er bereits hinter sich, denn als kleiner Bub wurde er in Nordafrika durch eine Minenexplosion Halbwaise.) Vor der Tür fallen Schüsse. Basil eilt hinaus und wird von einem Querschläger mitten zwischen den Augen getroffen. Langer Krankenhausaufenthalt.

Nach der Entlassung steht er mittellos da. Kein Job mehr, keine Wohnung mehr. Glücklicherweise trifft er auf einen Straßenhändler. Der nimmt ihn mit.

Doch wo wohnt der neue Kumpel? Er lebt mit anderen Figuren, eine ausgefallener als die andere, in einer Höhle unter einem Schrottplatz. Ein außergewöhnlicher Ort und noch außergewöhnlicher ausgestattet: ein Sammelsurium von Skulpturen, Erfindungen, Raritäten, Schrott, Schutt und anderem mehr.

So könnte Basil gut und gerne leben. Doch da entdeckt er eines Tages das Waffenunternehmen, dem er seine (nie entfernte) Kugel im Kopf verdankt. Der Plan ist schnell gefasst: Waffenschiebern muss eine Lektion erteilt werden.

Seine ganzen Freunde aus der Schrotthöhle werden eingespannt und machen mit. Ein glücklicher Umstand: Unter den Waffenhändlern gibt es zwei Rivalen, was dazu führt, dass diese sich misstrauen, bekriegen und annehmen, die Sabotageakte der Höhlenfreunde seien jeweils vom Gegner inszeniert. Das lässt Basil und seinen Freunden weitgehend freie Hand. Kein Zweifel, dass am Schluss die Waffenschieber und Profiteure vom Unglück anderer auf der ganzen Linie kapitulieren müssen.

Die Seitenhiebe auf die Waffenlobby sind eindeutig, handfest und berechtigt. Ansonsten ist in dem äußerst routiniert inszenierten und von bekannten und erfahrenen Akteuren getragenen Film (Danny Boon, Dominique Pinon, André Dussolier, Jolande Moreau, Jean-Pierre Marielle) alles auf Komik, Schrulligkeit, witzige und andere Einfalle abgestellt. Vielen Leuten scheint’s zu gefallen, denn in Frankreich hatte der Streifen großen Erfolg. Hierzulande Prädikat „besonders wertvoll“.

In unserem Land für Liebhaber lustiger – und sich um Lustigkeit bemühender – Ideen möglich.

Thomas Engel