Midsommar

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Erst letztes Jahr legte Ari Aster mit „Hereditary – Das Vermächtnis“ ein bemerkenswertes Debüt vor, ein Horrorfilm mit ebenso viel Intelligenz wie visuellem Gestaltungswillen. Mit „Midsommar“ kommt nun schon der zweite Film des jungen Regisseurs ins Kino, der auf nicht immer geglückte Weise versucht, ein Beziehungsdrama mit einer phantastischen Story über heidnische Rituale zu verknüpfen.

Webseite: www.weltkino.de

USA 2019
Regie & Buch: Ari Aster
Darsteller: Florence Pugh, Jack Reynor, William Jackson Harper, Will Poulter, Vilhelm Blomgren, Isabelle Grill, Gunnell Fred
Länge: 145 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 26. September 2019
 

FILMKRITIK:

Der Tod ihrer Eltern und Schwester lastet noch schwer auf der Seele der jungen Studentin Dani (Florence Pugh). Ihr Freund Christian (Jack Reynor) versucht sein bestes, doch seine Geduld stößt zunehmend an ihre Grenzen. Dennoch nimmt er Dani auf eine sommerliche Reise nach Schweden mit, wo er zusammen mit seinen Freunden, dem Anthropologen Josh (William Jackson Harper) und dem vor allem an Frauen interessierten Mark (Will Poulter), die Heimatgemeinde ihres Kommilitonen Pelle (Vilhelm Blongren) besuchen will. Denn dort findet in diesen langen, sonnendurchfluteten Tagen der nordischen Mitsommertage ein traditionelles Ritual statt: Nur alle 90 Jahre versammeln sich die Mitglieder von Pelles Dorf, das eher einer Kommune gleicht, für neun Tage, nehmen bewusstseinserweiternde Drogen und feiern in heidnischen Ritualen den Kreislauf des Lebens, ihre Fruchtbarkeit und auch ihre Vergänglichkeit.

Was für die Besucher aus Amerika anfangs noch wie ein zwar seltsamer, aber vor allem interessanter Blick in eine fremde Welt wirkt, entwickelt sich bald zu einem blutigen, zunehmend verstörenden Trip. Und mittendrin verlieren sich Dani und Christian zunehmend aus den Augen.

Neben den zahlreichen, billig produzierten Horror-Thrillern, die nicht mehr wollen, als 90 Minuten Spannung verbreiten, hat in den letzten Jahren das Genre des Art-House-Horrorfilm wieder Aufschwung bekommen: Mit Filmen wie „It Follows“, „The Witch“ oder eben „Hereditary“ streben meist junge Regisseure nach mehr als nur oberflächlichem Schrecken. Sie wollen psychologischer sein, komplexer, anspruchsvoller, was mal zu einer spannenden Mischung führt, mal zu latent prätentiösen Werken, die weder als Genrefilm überzeugen, noch als Drama. Über weite Strecken muss man „Midsommar“ zu letzteren zählen, zu jenen ambitionierten Horror-Thrillern, die zwar durch eine oft brillante Oberfläche überzeugen, die durch ihren Einfallsreichtum oft beeindrucken, im Kern jedoch allzu banal sind.

Was man „Midsommar“ trotz einer ausufernden Länge von fast zweieinhalb Stunden zu Gute halten muss ist sein Gespür für Atmosphäre. Sobald man zusammen mit den jungen Amerikanern die Lichtung im ländlichen Schweden betritt, auf der die Kommune in einigen markanten Holzhäusern lebt, lässt Aster ein zunehmendes Gefühl des Unbehagens entstehen. Wirken die ganz in traditionelle weiße Kostüme gekleideten Dorfbewohner anfangs vor allem seltsam, mit ihren Blumenranken und Runenzeichnungen wie aus der Zeit gefallene Hippies, werden die durchgeführten Rituale bald zu einem Spiel mit Leben und Tod.

Über weite Strecken mag man sich ganz der Lust Asters hingeben, immer neue, immer seltsamere Wendungen einzuschlagen, Hinweise zu legen, die bald ignoriert werden, mit den Mustern des Genres zu spielen, nur um sie zu unterlaufen. Doch je länger das bunte, heidnische Treiben andauert, je deutlicher wird, dass die amerikanischen Gäste Teil eines elaborierten Opferrituals werden, desto mehr zerfällt „Midsommar“ in Stückwerk. Die Suche nach einer Familie, die man als übergeordnetes Thema erkennen mag, trägt nur bedingt, zumal die Figuren allzu vage bleiben. Was am Ende des Films bleibt ist vor allem die visuelle Schaulust, das Vergnügen an immer neuen, immer merkwürdigeren Riten teilzuhaben, die Ari Aster mit bemerkenswertem Gespür für mal Übersinnliches, mal Wahnsinniges auffährt. Als klassischer Horror-Thriller mag das zwar nur bedingt überzeugen, faszinierend anzusehen ist „Midsommar“ trotz seiner inhaltlichen Schwächen dennoch.

Michael Meyns