Midsummer Madness

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Wenn bei Riga die rote Sonne nicht ganz im Meer versinkt, ist Mittsommernacht. Auf der Suche nach der Lebensart in Lettland lässt der lettisch-österreichische Regisseur Alexander Hahn lauter prominent besetzte Liebeshungrige mit Blütenkronen durch nächtliche Laubwälder und Osteuropa-Klischees irren. Die Romantik-Klamotte bietet leichte Unterhaltung in idyllischen Bildern.

Webseite: www.mid-madness.constantinfilm.at

A/GB/LV 2007
R + B: Alexander Hahn
P: Fischer Film, Steve Walsh Productions, Kaupo Film
D: Orlando Wells, Gundars Abolins, Chulpan Khamatova, Tobias Moretti, Detlev Buck, Maria de Medeiros, Roland Düringer, Dominique Pinon
Verleih: Barnsteiner Film
Länge: 88 Min.
Start: 8. Oktober 2009
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Mindestens dreifach müssen die wenigen Sommernächte im Norden Europas die vielen dunklen Wintertage ausbügeln. Den Höhepunkt in Lettland stellt das Mittsommerfest „Ligovakars“ am 23. Juni dar. Auf genau diesen von Mythen umwobenen Tag legt Alexander Hahn sein Langfilmdebüt. In dämmrigen Wäldern, hohen Gräsern, dunklen, einsamen Alleen und um üppig gedeckte Gartentische treiben sich Menschen aus einem Dutzend Nationen herum, um über Feuer zu springen, die seltene, sehr kurzlebige Farnblüte oder die große Liebe zu finden. Als hätte ihnen der Kobold aus Shakespeares Sommernachtstraum einen Zaubersaft eingeträufelt, kommen alle Figuren in den fünf zusammen geschnittenen Erzählungen gründlich von der Spur ab. Dies weniger poetisch als polternd.

Überraschend schnell findet der junge, verwöhnte New Yorker (Orlando Wells), der Lettland offenbar als Themenpark begreift und eigentlich nach seiner Stiefschwester (Miniauftritt von Birgit Minichmayr) sucht, in dem knorrigen, einheimischen Taxifahrer (Gundars Abolins) einen Lebensberater und echten Kumpel. Die nymphomanische Stewardess (Chulpan Khamatova) lässt sich von ihrem vermeintlich japanischen Freund, der nur im Kimono auftritt, bald auf ein Rad fesseln und ihre Eltern in Trainingsanzügen sind weniger ausländerfeindlich als erwartet: „Heutzutage kommt alles aus China“. Die frisch verwitwete, französische Dichterin in wallender Samtrobe (Maria de Medeiros), die Lettland mit Litauen verwechselt, lässt sich von einem zotteligen Beerdigungsunternehmer (Tobias Moretti mit blonder Perücke) umgarnen. Zwei nackte englische Fußballfans entdecken inmitten sumpfiger Gräser neue Gefühle. Ein russischer Aal-Lieferant beschenkt einen deutschen (Detlev Buck) und einen österreichischen Geschäftsmann (Roland Düringer) mit einem üppigen Animierprogramm, um beide über den Tisch zu ziehen.

Irgendwann landen alle gleichzeitig im Krankenhaus, ohne dass sich daraus neue Verbindungen ergeben. Zwischendurch greift die örtliche Polizei ein, um Liebespaare zu filmen oder Urnenasche zu testen. Erst Schnappschüsse im Abspann des Films bringen die fünf lose herum flatternden Handlungsstränge zu grotesken Abschlüssen. Der an Kusturica orientierte, folkloristische Spinnerreigen will keine rechte Gestalt annehmen, so wacker sich die Akteure, fast alle in ihren Ländern preisgekrönt, durch Straßenkünstler-Kostümierungen und papierne Dialoge wühlen. Sie werden von der Staubschicht aus bunter Exaltiertheit und scheppernden Sexismus einer 80er-Jahre-Komödie bedeckt. „Willkommen in Lettland“ heißt es zwinkernd am Ende. Aber das brachial-komische Culture-Clash-Potpourri taugt weniger als verlängerter Werbespot für Land und Leute denn als frei ersonnener „Jetlag-Travel-Guide“. Soviel Molwanien hat Lettland garantiert nicht verdient.

Dorothee Tackmann