Milchkrieg in Dalsmynni

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Dass auch im beschaulichen, malerischen Island die Folgen des Kapitalismus immer deutlicher zu spüren sind, war schon in „Gegen den Strom“ zu sehen. Auch Grímur Hákonarson zeigt in seinem neuen Film „Milchkrieg in Dalsmynni“ eine starke Frau, die sich allein gegen die männliche Übermacht zur Wehr setzt. Ein inzwischen geradezu klassischer isländischer Film.

Webseite: www.alamodefilm.de

The County / Héraðið
Island/ Dänemark/ Frankreich/ Deutschland 2019
Regie & Buch: Grímur Hákonarson 
Darsteller: Arndís Hrønn Egilsdóttir, Sveinn Ólafur Gunnarsson, Sigurður Sigurjónsson, Hinrik Ólafsson, Hannes Óli Ágústsson, Edda Björg Eyjólfsdóttir
Länge: 92 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 9. Januar 2020

FILMKRITIK:

In der isländischen Provinz betreiben Inga (Arndís Hrønn Egilsdóttir) und ihr Mann eine Milchfarm, sind Teil einer Kooperative, der sie einst mit dem Versprechen beigetreten sind, dass die Gemeinschaft sie stützt und auffängt. Doch die Realität sieht anders aus: Die Farm ist hoch verschuldet, die Verpflichtung, nur an die Kooperative zu verkaufen und in den dortigen Geschäften zu kaufen, verhindern den Erfolg der Farm.
 
Als dann auch noch Ingas Mann bei einem (scheinbaren) Unfall ums Leben kommt, scheint das Ende der Farm endgültig gekommen zu sein. Um ihre Schulden loszuwerden sieht Inga nur die Möglichkeit, ihre Farm an die Kooperative zu verkaufen. Doch dann erfährt sie von ihrem Freund und Nachbarn Fridgeir (Sveinn Ólafur Gunnarsson), dass Eyjólfur (Sigurður Sigurjónsson), der Leiter der Kooperative, ihren Mann wegen der hohen Schulden erpresst hat: Als Spitzel sollte er die anderen Bauern verraten, wenn sie es wagten, in anderen Geschäften als die der Kooperative einzukaufen.
 
Wütend postet Inga auf ihrer Facebook-Seite über die Mafia-Methoden der Kooperative und wird sogar für das Fernsehen interviewt. Von diesen Entwicklungen ist Eyjólfur alles andere als begeistert und versucht zunächst mit Worten, bald aber auch mit Taten, Inga davon zu überzeugen, sich dem Willen der Kooperative zu beugen. Doch für Inga hat der Kampf gerade erst begonnen.
 
So wie eine Einstellung auf den Eiffelturm verrät, das ein Film in Paris spielt, ein Blick auf Zwiebeltürmchen sofort denken lässt: Russland, so haben sich auch die markanten Landschaften Islands in den letzten Jahren zu einem filmischen Markenzeichen entwickelt. „Von Menschen und Pferden“ hieß einer der ersten Vertreter dieser neuen isländischen Welle, Hákonarsons „Sture Böcke“ variierte das Thema Mensch und Tier, der schon angesprochene „Gegen den Strom“ vertiefte den Umgang mit ökologischen Fragen, der nun in „Milchkrieg in Dalymynni“ fortgeführt wird.
 
Angesichts dieser Fülle an Filmen, die in ähnlicher Landschaft, mit ähnlichen Typen, ähnlichen Themen behandeln, verwundert es nicht, das vieles an der Geschichte um Inga bekannt anmutet. Ihr stoischer Charakter verwundert ebenso wenig, wie die wortkargen Typen in der Kooperative oder ihre mit dicken, groben Pullovern bekleideten Nachbarn. Hübsch anzusehen ist das allemal, der Kampf eines hier weiblichen David gegen einen scheinbar übermächtigen Goliath war schon lange vor dem Kino ein beliebtes Sujet von Erzählungen, den Grímur Hákonarson gefällig und unterhaltsam variiert.
 
Doch gerade im Vergleich zu dem in vielerlei Hinsicht ähnlichem „Gegen den Strom“, der eine außerordentliche, ambivalente Frauenfigur als Amazone gegen das kapitalistische System stellte, bleibt die Figur der Inga doch ein wenig blass. So eindrucksvoll die malerischen Landschaften Islands auch anzusehen sind, inhaltlich variiert „Milchkrieg in Dalymynni“ etwas zu bieder inzwischen bekannte Muster.
 
Michael Meyns