Mina und die Traumzauberer

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Jedes Jahr finden Animationsfilme den Weg ins Kino, die nicht aus den typischen Hollywood-Schmieden kommen. Kleinere, europäische Produktionen, die vielleicht nicht mit technischem Neuland punkten können, aber ansprechend animiert sind. Und noch wichtiger: Sie erzählen Geschichten etwas anders. So wie die dänische Produktion „Mina und die Traumzauberer“, die sich ernste Momente erlaubt, als die Protagonistin erkennt, dass sie im Traumland herumspazieren und die Träume anderer manipulieren kann. Zugleich lebt der Film aber auch von seiner überbordenden Phantasie.

Website: www.mina-traumzauberer-film.de

OT: Drømmebyggerne
Dänemark 2020
Regie: Kin Hagen Jensen
Buch: Søren Grinderslev Hansen, Kin Hagen Jensen
Länge: 78 Minuten
Verleih: Splendid / 24 Bilder
Kinostart: 4.7.2020

FILMKRITIK:

Mina lebt mit ihrem Vater alleine in einem abgelegenen Haus – zusammen mit ihrem Meerschweinchen Viggo Mortensen. Aber ihr Vater hat sich neu verliebt und diese Frau zieht nun mit ihrer Tochter Jenny bei den beiden ein. Jenny ist ein hochnäsiges, oberflächliches Mädchen, das so gut wie immer bekommt, was sie will. Und jetzt will sie, dass Viggo Mortensen, den sie als Ratte verunglimpft, entfernt wird. Das wiederum will Mina auf keinen Fall zulassen. Da trifft es sich gut, dass sie bei einem ihrer letzten Träume hinter die Kulissen blicken konnte. Ein Riss in der Wand des Bühnenbilds erlaubte ihr, mit den Traumzauberern in Kontakt zu treten. Nun bittet sie den Traumzauberer Gaff, ihr mit Jenny zu helfen, denn Mina hat herausgefunden, dass man das Verhalten von Menschen durch ihre Träume beeinflussen kann. Das funktioniert erst gut, dann wacht Jenny jedoch nicht mehr auf …

Ein bisschen fühlt man sich an Windsor McCays Comic-Klassiker „Little Nemo in Slumberland“ erinnert, reiste dessen Held doch auch Seite für Seite ins Reich der Träume und erlebte dort die phantastischsten Abenteuer. So ergeht es nun auch dem kleinen Mädchen Mina, nur dass dieses sieht, wie die Träume gestaltet werden – mit Bühnen und Requisiten, Schauspielern und Robotern, Kameras und Lichtern. Es wirkt fast schon surreal, wenn Mina durch diese Traumszenerien stapft oder gar auf dem Rücken eines Wals von Bühne zu Bühne fliegt. Vor allem merkt man dem Film hier aber seine unbändige Phantasie und den Willen an, den Zuschauern etwas zu bieten, was er so noch nicht gesehen hat.

„Mina und die Traumzauberer“ ist aber nicht nur seiner prächtigen Bilder wegen eindrucksvoll, es ist die Geschichte drum herum, die für die emotionale Wirkung sorgt. Denn der Film macht es weder seinem Publikum noch seiner Hauptfigur leicht. Er streift die Thematik des Online-Mobbings, er zeigt aber auch mit dem Finger auf eine Kultur der Oberflächlichkeit, die damit einhergeht. Jenny wird als unsympathischer Antagonist eingeführt, wodurch Mina umso sympathischer wirkten muss. Cleveres Kalkül, denn ihre Versuche, Jenny durch die Manipulation ihrer Träume zu verändern, zeigen ein gänzlich

anderes Gesicht des Mädchens. Ganz plötzlich erzählt der Film davon, wie Macht korrumpiert und wie selbst gute Absichten zu negativen Ereignissen führen können.

Natürlich zielt der Film auf ein junges Publikum ab. Dem bietet er mit tollen Bildern und einer nachvollziehbaren Geschichte auch viel, ältere Semester finden hier aber noch mehr, geht es doch um die Frage des Freien Willens. Und dabei nicht nur, wie er sich manipulieren, sondern auch korrumpieren lässt. Was Mina hier im Grunde macht, ist in der #metoo-Zeit, in der die Sensibilität sehr viel mehr geschärft ist, umso schrecklicher. Natürlich weiß man, dass sie eigentlich ein gutes Mädchen ist und Gutes tun will, aber das Eindringen in die Träume und des Selbst eines anderen Menschen ist – gelinde gesagt – übergriffig.

Das spielt der Film natürlich nicht vollkommen aus, er liefert aber Subtext, der ein erwachsenes Publikum anspricht, weil das Werk weit vielschichtiger daherkommt, als man meinen sollte. Man muss auf diese Konnotationen aber nicht anspringen, dann funktioniert „Mina und die Traumzauberer“ noch immer großartig und ist ein phantastischer, traumhaft schöner, phantasievoller Film, der es weit mehr als die x-te amerikanische Produktion verdient hat, ein Publikum zu finden.

Peter Osteried