Minari – Wo wir Wurzeln schlagen

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Bei allen Bemühungen um Diversität im amerikanischen Kino blieb eine Gruppe Menschen bislang meist außen vor: asiatisch stämmige Amerikaner. In dieser Lücke bewegt sich nun Lee Issac Chungs „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“, ein semi-autobiographischer Film, der beschreibt, was Lees Familie Anfang der 80er im ländlichen Amerika erlebte. Ein warmherziger, von sanftem Humor getragener Familienfilm.

Website: www.minari-derfilm.de

USA 2020
Regie & Buch: Lee Isaac Chung
Darsteller: Steven Yeun, Han Ye-ri, Alan Kim, Noel Kate Cho, Youn Yuh-jung, Will Patton, Daryl Cox
Länge: 115 Minuten
Verleih: Prokino/ Studiocanal
Kinostart: 15.7.2021

FILMKRITIK:

Es soll eine neue Chance sein: Mit Sack und Pack zieht die koreanisch-amerikanische Familie Yi aus Kalifornien nach Arkansas. Vater Jacob (Steven Yeun) und Mutter Monica (Yeri Han) kamen vor Jahren aus ihrer Heimat nach Amerika, auf der Suche nach einem besseren Leben, das sich bislang noch nicht eingestellt hat. Sie arbeiten in einer Hühnerfabrik, wo sie männliche von weiblichen Küken trennen, eine monotone, stumpfsinnige Arbeit, die keinerlei Aufstiegschancen verspricht.

Während die Eltern vor allem koreanisch sprechen und gerade Monica auch kaum Englisch versteht, reden ihre in Amerika geborenen Kinder Anne (Noel Kate Cho) und David (Alan S. Kim) vor allem die Sprache ihrer neuen Heimat. Der Kontrast zwischen zwei Welten, zwei Lebensarten, deutet sich auch in Jacobs großem Projekt an, dass das Ziel des Umzugs war. Er hat eine 50 Hektar große Fläche gekauft, die er landwirtschaftlich nutzen will. Und zwar auf koreanische Weise, mit koreanischem Gemüse und koreanischen Anbaumethoden.

Doch der Weg dahin ist beschwerlich, zumal Monica wenig begeistert vom Leben auf dem Land, in einem wenig komfortablen Haus ist. Um die arbeitenden Eltern zu entlasten wird bald die Großmutter Soon-ja (Yuh-Jung Youn) aus Korea nachgeholt, die es mit ihrer eigenwilligen Art schnell schafft, unersetzlich zu werden. Und die bald ihre eigene landwirtschaftliche Initiative startet: Am Rande eines Baches pflanzt sie die titelgebende Minari, kein exotisches Gewächs, sondern ganz profan: Petersilie.

Besonders David steht seiner Großmutter nah, die ihn viel pragmatischer behandelt als seine Eltern. „David, nicht rennen!“ rufen sie ständig, aus Sorge um einen angeborenen Herzfehler. Ein Loch im Herz hat David, das langsam von ganz allein, zuwächst, eines der Leitmotive des Films, die Lee Isaac Chung unterschwellig andeutet. Lose basiert „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen “ auf persönlichen Erlebnissen, die der inzwischen über 40jährige Regisseur allerdings nicht in einem Debütfilm verarbeitet, sondern in seinen bereits vierten Film. Eine gute Entscheidung, denn anders als viele junge Regisseure, die persönliche Erlebnisse in Filmstoffe verwandeln, dabei allerdings vergessen, ihr persönlich Erlebtes auf eine größere, universelle Ebene zu heben, hat Chung inzwischen Lebenserfahrung gesammelt. Dies erlaubt ihm nicht nur, die Entwicklung der Beziehung der Eltern mit allen Konflikten differenziert zu schildern, vor allem aber die Erlebnisse der Familie mit großer Gelassenheit darzustellen.

Selbst scheninbar größere Konflikte oder Probleme sind nicht mehr als ein Stein im Fluss des Lebens, aus Momenten der Ablehnung, die Anne und David von Gleichaltrigen erfahren, wird kein großes Drama gemacht, sie sind Teil des Lebens, gerade im ländlichen Amerika Anfang der 80er Jahre. Fast unmerklich schildert Chung die schwierigen Versuche der Familie, eine neue Heimat zu finden, mit einer neuen Kultur zurechtzukommen. Nicht um einen dramatischen Clash der Kulturen geht es letztlich in „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“, sondern um die langsam wachsende Erkenntnis, das aus dem Zusammenwachsen einer koreanischen Familie mit amerikanischer Mentalität etwas neues, ganz eigenes entsteht.

Michael Meyns