Seit 30 Jahren dreht Christian Petzold Filme, nun wurde er mit seinem zehnten Kinofilm “Miroirs No.3“ zum ersten Mal nach Cannes, zum immer noch wichtigsten Filmfestival eingeladen. Zwar nicht in den Wettbewerb, sondern „nur“ in die Nebensektion Quinzaine de Realisateurs, doch in dieser besonders dem Autorenkino zugetanen Reihe ist Petzold sehr gut aufgehoben, denn sein neuer Film ist durch und durch ein Petzold-Film.
Über den Film
Originaltitel
Miroirs No. 3
Deutscher Titel
Miroirs No. 3
Produktionsland
DEU
Filmdauer
86 min
Produktionsjahr
2025
Produzent
Koerner von Gustorf, Florian / Weber, Michael / Kaiser, Anton
Regisseur
Petzold, Christian
Verleih
Piffl Medien GmbH
Starttermin
18.09.2025
Es sollte ein entspannter Ausflug nach Brandenburg werden, doch nach einer Unaufmerksamkeit am Steuer des Cabrios ist Lauras (Paula Beer) Freund tot. Sie selbst scheint nur leicht verwundet, ins Krankenhaus muss sie nicht, zumal sich Betty (Barbara Auer), vor dessen Haus der Unfall passierte, um Laura kümmert.
So kommt eins zum anderen, Laura übernachtet in dem fremden Haus, zieht die Kleidungsstücke an, die Betty ihr hinlegt und die erstaunlich gut passen. Einen Tag später kommen Bettys Mann Richard (Matthias Brandt) und der Sohn Max (Enno Trebs) zum Essen, es gäbe etwas zu feiern, hatte Betty gesagt, irgendwie angespannt wirkt das Verhältnis zwischen ihr und Mann und Sohn, die in der Nähe eine Autowerkstatt betreiben, sich auch dort etwas seltsam benehmen, viel mit Bargeld hantieren, an sehr teuren Limousinen arbeiten, die nicht recht in die brandenburgische Provinz zu gehören scheinen.
Als sie Laura sehen, verschlägt es besonders Max die Sprache, zu groß ist die Ähnlichkeit zur verstorbenen Tochter bzw. Schwester, deren Tod das Haus und seine Bewohner belastet. Je länger Laura nun dableibt, desto mehr scheint sie die Rolle der Toten einzunehmen, ihr Doppelgänger zu sein, ihr Spiegel.
Unverwechselbar wirken die Filme von Christian Petzold, verraten schon nach wenigen Einstellungen die Handschrift des Regisseurs, zumal nach Jahren der Zusammenarbeit mit Nina Hoss nun schon zum vierten Mal Paula Beer die Hauptrolle in einem Petzold-Film spielt. Eine Kontinuität, die sich auch inhaltlich zeigt, in der Variation ähnlicher Motive, dem Spiel mit Genre-Motiven, das sich besonders in den Polizeiruf-Krimis zeigt, die Petzold immer wieder zwischen seinen Kinofilmen dreht. Von dort mag man auch das Paar Barbara Auer und Matthias Brandt kennen, auch deren Film-Sohn Max ist ein Bekannter aus dem Petzold-Kosmos, in „Roter Himmel“ war Enno Trebs zu sehen.
Auch abgesehen von den wiederkehrenden Darstellern bereitet es Vergnügen, Variationen zu erkennen, Motive zu bemerken, die sich seit langem durch Petzolds Werk ziehen: Eine Frau, die einen Unfall hatte, fortan leicht irritiert, fast schlafwandlerisch durch die Welt taumelt, das erinnert an „Yella“, wo es noch Nina Hoss war, die tatsächlich so etwas wie ein Geist war, aber auch an „Undine“, wo schon Paula Beer eine Art mystisches Wesen spielte. Dopplungen: Auch das kennt man, in „Transit“ etwa, übernimmt ein Mann einfach Pass, Rolle und Leben eines anderen, auch Undine war zumindest zum Teil Ersatz einer anderen.
So ziehen sich Linien durch ein Werk, das sich in oft kleinen Variationen entwickelt, ohne einen bestimmten sicheren Kosmos jemals zu verlassen. Eine Komfortzone hat sich Christian Petzold in 30 Jahren erarbeitet, eine Art des Erzählens, eine Art des Kinos, die unverkennbar seine eigene ist, die er wohl auch nicht mehr verändern wird.
Mag man Petzold und seine Welt, mag man es, Zeit mit einer ganz bestimmten Art von Figuren zu verbringen, dann wird man auch „Miroirs No. 3“ mögen, neue Zuschauerschichten zu seiner Art des Filmemachens konvertieren, gelingt dagegen nicht, dürfte aber auch nicht das Ziel von Christian Petzold sein.
Michael Meyns