Monkey Man

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Schlagkräftig und unter Strom – so zeigt sich Dev Patel in seinem Regiedebüt „Monkey Man“, das knallharte Racheaction liefert, aber auch ein bisschen mehr sein will als der typische Selbstjustizreißer. Obschon nicht alle Ideen aufgehen, manches etwas zu kurz kommt, darf man dem britischen Schauspieler mit indischen Wurzeln zu einem interessanten Erstlingswerk gratulieren. Wäre schön, wenn dies nicht sein einziger Ausflug hinter die Kamera bliebe.

Webseite: https://www.upig.de/micro/monkey-man

Regie: Dev Patel
Drehbuch: Dev Patel, Paul Angunawela, John Collee
Darsteller: Dev Patel, Sharlto Copley, Pitobash, Vipin Sharma, Sikandar Kher, Adithi Kalkunte, Sobhita Dhulipala, Ashwini Kalsekar, Jatin Malik, Makarand Deshpande u. a.

Länge: 121 Minuten
FSK: ab 18 Jahren
Verleih/Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH
Kinostart: 04.04.2024

FILMKRITIK:

Immer wieder steckt er Hiebe ein, lässt sich im Ring eines illegalen Kampfclubs blutig schlagen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Schmerz bestimmt das Leben von Kid (Dev Patel). Nicht nur in körperlicher Hinsicht. Auch seelisch ist der junge Mann, der sein Gesicht bei seinen Fights hinter einer Affenmaske verbirgt, schwer gebrandmarkt. Der Mord an seiner Mutter Neela (Adithi Kalkunte), den er als Kind mitansehen musste, hat ihn geprägt, hängt wie eine dunkle Wolke über seinem Leben, das nur noch ein Ziel zu kennen scheint: Rache.

Von Anfang an spielt Neuregisseur Patel seinen kaputten Protagonisten als Getriebenen, angespannt bis in die letzte Faser, mit Wut und Trauer im rastlosen Blick. In seinem Inneren brodelt es. Und nur mühsam gelingt es Kid, seine Emotionen in den Griff zu kriegen, die Kontrolle zu bewahren, bevor er zum großen Schlag ausholen kann. Diesem kommt er näher, als er mit einem Trick eine Anstellung in einem Luxusclub ergattert, in dem die Elite der fiktiven indischen Großstadt Yatana ein und aus geht. Politiker, Funktionäre und andere Granden der Gesellschaft frönen hier dem Angebot an Edelprostituierten, die ihren Kunden jeden noch so schmutzigen Wunsch erfüllen müssen.

Kids Zielobjekt ist Polizeichef Rana (Sikandar Kher), Neelas Mörder, der in Diensten des machthungrigen Gurus Baba Shakti (Makarand Deshpande) steht. Einer Verkörperung des Hindu-Nationalismus, den die indische Regierung unter Narendra Modi propagiert. Mit schönen Worten verschleiert der Frieden predigende Blender Shakti, dass in seinen Vorstellungen Minderheiten keinen Wert haben. Landraub ist für ihn das Recht des Stärkeren, das er mit Gewalt durchsetzt.

Einmal im Exklusivbereich des Nobeletablissements angekommen, schmuggelt Kid eine Waffe in den Club und überrascht damit Rana. Überfordert von dem Moment, auf den er so lange hingearbeitet hat, zeigt er jedoch Nerven und muss fürs Erste schwerverletzt die Flucht ergreifen.

Das Plot-Gerüst unterscheidet sich nicht groß vom Aufbau anderer Vergeltungsthriller. Politische Untertöne, Kuriositäten und kleine Details machen aus „Monkey Man“ aber einen Film, der das übliche Ein-Mann-räumt-auf-Muster sprengt. Bereits in den ersten Einstellungen setzen der auch am Drehbuch mitwirkenden Patel und seine Koautoren Paul Angunawela und John Collee ihre Geschichte über die hinduistische Gottheit Hanuman in einen mythologischen Kontext, der später durch eine Art Wiedergeburt noch verstärkt wird.

Hervorstechend ist auch der kritische Blick auf die Ausbeutung von Frauen, die Unterdrückung der Armen und Entrechteten durch eine korrupte Oberschicht. Immer wieder lässt „Monkey Man“ sein Herz für Außenseiter, Menschen am Rande der Gesellschaft aufblitzen. Etwa am Beispiel der Hijras, die sich weder als männlich noch als weiblich sehen und Kid in ihrem Tempel Unterschlupf gewähren. In ihrem Schoß findet der wütende junge Mann zu sich, lernt mithilfe eines begnadeten Trommlers (Zakir Hussain) in einer unglaublich schweißtreibenden Szene, sich zu fokussieren.

Dev Patel hat hohe Ambitionen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass einige Ideen halbgar bleiben. Baba Shakti ist eine wenig vielschichtige Inkarnation des Bösen. Die politischen Aspekte hätte man noch unterfüttern können. Und mitunter zeigt sich der Film von den Elementen, die er kritisieren will, zu stark fasziniert. Leicht bekleidete Frauenkörper in Zeitlupe und zuckendem Neonlicht werden beispielsweise etwas zu bereitwillig ins Bild gerückt. Wie üblich im Subgenre des Rachethrillers findet ein Hinterfragen der Selbstjustizhandlungen nicht statt. Im Gegenteil, regelmäßig eingestreute Rückblenden hämmern uns regelrecht ein, wie schwer der Verlust seiner Mutter Kid getroffen hat. Etwas weniger wäre hier schon deshalb mehr gewesen, weil Patel den Schmerz und die Verlorenheit der Figur überzeugend in seine entfesselte Performance legt.

Erzählerische Schwächen gleicht der Film allerdings durch eine fiebrige Inszenierung aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Oft ist das Tempo hoch. Schnelle Schnitte, knackige Beats, kernig-kompromisslose Nahkämpfe und mitreißende Verfolgungsjagden sorgen trotz einiger überflüssiger Ausflüge ins Ironische für eine Intensität, die vielen Actionstreifen im Zeitalter der großen Computereffekte abgeht. Auch wenn die Prügeleien in „Monkey Man“ selbstredend perfekt durchchoreografiert sind, fühlen sie sich erfrischend spontan und ungekünstelt an. Vor allem die filmischen Qualitäten rechtfertigen den Kinostart, den Patels Debüt, so ist zu hören, seinem Kollegen Jordan Peele zu verdanken hat. Weil der „Get Out“-Schöpfer eine Fassung vorab sehen konnte und sehr begeistert war, erwarb er mit seiner Produktionsfirma und seinem Partner Universal die ursprünglich bei Netflix liegenden Rechte.

 

Christopher Diekhaus