Monster im Kopf

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Praktisch in jedem Moment der 94 Minuten von Christina Ebelts „Monster im Kopf“ ist die Hauptfigur Sandra zu sehen, die Frau mit dem Monster im Kopf: Eine unbändige Wut, die sie ins Gefängnis gebracht und fast ihr Leben zerstört hat. Mit größter Emotionalität spielt Franziska Hartmann diese Rolle, gleichermaßen unnahbar und unausweichlich. Ein schauspielerischer Parforceritt, der den um ihn konstruierten Film sehenswert macht.

Webseite: https://www.realfictionfilme.de/monster-im-kopf.html

Deutschland 2023
Regie & Buch: Christina Ebelt
Darsteller: Franziska Hartmann, Slavko Popadić, Martina Eitner-Acheampong, Déborah Jo, Michael Kamp, Tobias Krebs

Länge: 94 Minuten
Verleih: Real Fiction/ Cologne Cine Collective
Kinostart: 9. November 2023

FILMKRITIK:

Sandra (Franziska Hartmann) ist im Gefängnis – und schwanger. Trotz ihres nicht mehr zu übersehenden Baby-Bauches ist die vielleicht 30jährige Frau alles andere als umgänglich, weich oder gar zärtlich. Mit jeder Faser ihres Körpers strahlt Sandra Wut aus, zeigt, dass sie keine Nähe will, dass jede vermeintliche Provokation zu einem Ausbruch der Aggression führen könnte.

Das einzige was sie will ist ihr Baby zu behalten, das sie trotz einer Risikoschwangerschaft auf keinen Fall abtreiben will. Doch selbst wenn sie es gesund auf die Welt bringen sollte, könnte ihr das Baby weggenommen werden. Also versucht Sandra in die MKA zu kommen, die Mutter-Kind-Abteilung, wo sie bei offenem Vollzug zusammen mit ihrem Baby sein könnte.

Warum dieses Vorhaben nicht einfach ist erfährt man in Rückblenden, in denen nach und nach erzählt wird, was Sandra ins Gefängnis gebracht hat. Zwei Personen dominierten ihr Leben, ihr Freund Micki (Slavko Popadić) und ihre Mutter (Martina Eitner-Acheampong). Während jede Begegnung mit der pflegebedürftigen Mutter für Sandra eine Qual ist, jedem Betreten der mütterlichen Wohnung ein tiefes Einatmen voraus geht, ein Versuch, sich zu beruhigen, agiert sie zumindest in manchen Momenten mit Micki zärtlich, gelöst und natürlich. Doch solche Momente sind rar, denn Sandras Wut bricht immer wieder gewalttätig aus.

Auch in ihrem Debütfilm „Sterne über uns“ porträtierte Christina Ebelt einer alleinerziehenden Mutter, die versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Bei einem weiteren Film über extremes Verhalten arbeitete sie am Drehbuch mit: Jan Bonnys „Gegenüber“, die Studie einer (selbst-)zerstörerischen Paar-Beziehung. Nun also das Porträt einer Frau, die sich oft nicht beherrschen kann, die sich immer wieder ungerecht behandelt fühlt und zu Gewaltausbrüchen neigt.

Ein gewisses Faible für extreme Figuren und Verhaltensweisen zieht sich also durch Christina Ebelts Werk, stilistisch lehnen sich ihre Filme bei dem von den Dardenne-Brüdern etablierten harschen Sozialrealismus an, gefilmt mit einer mobilen Handkamera, die meist nah an den Protagonisten bleibt, sie unbarmherzig in den Mittelpunkt stellt. Es sind Filme, die weniger über eine komplizierte oder spannende Handlung funktionieren, als über die möglichst realistische, harsche Schilderung einer Realität. Einer Realität, vor der man normalerweise verschont ist, mit der man in Filmen dieser Art dann für eine gewisse Zeit konfrontiert wird. Angenehm sind die porträtierten Figuren selten, auch Ebelt stellt bewusst Unsympathen in den Mittelpunkt, zeigt Menschen, die sich oft extrem und irrational verhalten. Ob man diesen Figuren über 90 oder 100 Minuten folgen mag hängt daher meist an der Intensität der schauspielerischen Darstellung. Und hier liegt die größte Stärke von „Monster im Kopf“, der zweiten Zusammenarbeit zwischen Regisseurin und Hauptdarstellerin. Großes Vertrauen herrschst augenscheinlich zwischen dem Duo Ebelt/ Hartmann, mit dem Ergebnis einer eindringlichen, hoch emotionalen schauspielerischen Performance, der man zwar nicht gerne, aber mit großer Faszination zuschaut.

 

Michael Meyns