Mr. Nice

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Bis zu seiner Verhaftung Ende der 80er-Jahre war Howard Marks alias Mr. Nice einer der bedeutendsten Schmuggler von Haschisch und Marihuana weltweit. Bis zum heutigen Tage ist der gebürtige Waliser mit einem Oxford-Abschluss in Atomphysik ein überzeugter Konsument und Hanfaktivist. Die Verfilmung seines gleichnamigen autobiographischen Bestsellers besticht durch trockenen britischen Humor, gelungenes Zeitkolorit und großartige Darsteller, allen voran Rhys Ifans in der Hauptrolle.

Webseite: www.mrnice-derfilm.de

Großbritannien 2010
Regie: Bernard Rose
Darsteller: Rhys Ifans, Chloë Sevigny, David Thewlis, Omid Djalili, Elsa Pataky, Luis Tosar, Crispin Glover u.a.
Verleih: Koch Media / Vertrieb: Neue Visionen
Länge:121 Min.

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Für Howard Marks ist Mr. Nice mehr als ein Pseudonym. Er beteuert aufrichtig, als Schmuggler nie Gewalt angewendet zu haben und er ist den vergleichsweise harmlosen Cannabis-Produkten Haschisch und Marihuana bis zum Schluss treu geblieben, obwohl das Geschäft mit Heroin und Kokain wirtschaftlich gesehen weitaus mehr Gewinn eingebracht hätte. Doch so einer war und ist Marks nicht. Er fällt eher in die Kategorie Kiffer und Abenteurer...

Der Film beginnt in den 60er-Jahren. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Marks kommt in der Elite-Universität Oxford an, um sein Studium anzutreten und steckt bald mittendrin im von Aufbegehren und Widerstand geprägten College-Leben. Dem ersten Joint folgt schnell der zweite und dritte und kleine Dealereien, mit denen sich Geld verdienen lässt. Nach einem schlechten LSD-Trip und dem Heroin-Tod eines Freundes, entscheidet sich Howard seinen Abschluß zu machen und nur dem Joint als einzige Droge treu zu bleiben. Doch das bürgerliche Leben als Lehrer ist nicht Howards Ding und so hilft er einem Bekannten von seiner Freundin und späteren Ehefrau Judy, der beim Schmuggel von Haschisch in Deutschland erwischt wurde und überführt selbst 500 Kilo schwarzen Afghanen mit dem Auto über mehrere Grenzen bis nach London. Howard genießt diesen unglaublichen Thrill und ist bald der Star unter den Dope-Schmugglern mit Unterstützung durch die IRA und Kontakten zum britischen Geheimdienst. Letzteres hilft ihm sogar freizukommen, als er erwischt wird. Doch er schafft es nicht aufzuhören, erschließt letztlich den amerikanischen Markt, bis sich das Netz der US-Drogenbehörde DEA immer enger schließt...

Der durch so unterschiedliche Genre-Filme wie den Horrorfilm „Candymans Fluch“ nach einer Kurzgeschichte von Clive Barker oder die Historiendramen „Ludwig van B.“ und „Anna Karenina“ bekannte britische Regisseur Bernard Rose setzt Howard Marks' komplexe Autobiographie „Mr. Nice“ als klassisches Biopic um. Mit Humor und Sympathie für die Hauptfigur dampft er Marks' bewegtes Leben als spannende Reise in die Zeit der 60er, 70er- und 80er-Jahre ein und spart dabei nicht mit satirischen Seitenhieben.

Rhys Ifans („Notting Hill“, „Banksy“), der aus der gleichen walisischen Kleinstadt wie Marks stammt, brilliert in der Hauptrolle. Mit eigenwilligem britischen Understatement bringt er den charismatischen und sympathischen Howard Marks auf die Kinoleinwand. Selbst den jungen Marks nimmt man ihm trotz des Altersunterschieds irgendwie ab. Unterstützt wird er von der großartigen Chloë Sevigny („Dogville“, „Broken Flowers“) als Ehefrau Judy. Für Comic Relief sorgen David Thewlis („Harry Potter“) als durchgeknallter IRA-Aktivist und der Comedian Omid Djalili als afghanischer Kontaktmann Malik.

Bei der visuellen Umsetzung der verschiedenen Drehorte und Zeiten wurde ordentlich getrickst. So musste Wales für alle nördlichen Gegenden und Spanien für alle südlichen herhalten und digitale Effekte sorgen für das Zeitkolorit. Das fällt zum Teil auf, aber angesichts der Dynamik der Geschichte stört es nicht weiter. Der Soundtrack enthält die meisten wichtigen, von Drogen beeinflussten Songs der Zeit inklusive des schon bei „Easy Rider“ verwendeten „Don't Bogard That Joint“ von „The Fraternity Of Man“.

Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Film „Blow“, in dem Johnny Depp den amerikanischen Kokainschmuggler George Jung spielt, drängen sich auf, spielen sie doch in derselben Zeit. Doch anders als Jung hat Marks den Schritt zu härteren Drogen nie vollzogen, obwohl er damit mehr Geld verdient hätte. Dafür ist er heute auch ein freier Mann, lebt wieder in England und bereist mit seiner Ein-Mann-Show die ganze Welt, in der er sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzt, während Jung noch im Gefängnis schmort. Nicht nur dafür hat ihm die Kiffergemeinde ein Denkmal gesetzt und eine besonders starke Hanfsorte nach ihm benannt: „Mr. Nice“, eben.

Eric Horst

Die Autobiographie des Atomphysikers und Drogenbarons Howard Marks. Er wurde 1945 in einem Dorf in Wales geboren, studierte Ende der 60er Jahre in Oxford, war hochbegabt, belegte u. a. Philosophie und machte wie angedeutet seinen Studienabschluss in Atomphysik.

Es war die Zeit des jugendlichen Aufbegehrens – und des Kiffens. Marks geriet mitten in die Szene, und bald waren Drogen das Wichtigste in seinem Leben. In Judy fand er die Frau, die ihm vier Kinder gebar und die ihm – oft auch widerwillig – durch dick und dünn folgte.

Howard Marks geht als Drogendealer jahrelang wirklich gerissen vor. Er legt sich im Laufe der Zeit 43 Decknamen, ungezählte Falschausweise, 89 Telefonanschlüsse und 25 Firmen zu.

Er nimmt Risiken auf sich, reist in Europa und dem Mittleren Osten umher. London, Karatschi, Wiesbaden, Dublin heißen u. a. die Stationen. Er nimmt mit der IRA (irische Befreiungsorganisation) Kontakt auf und schmuggelt mit deren Hilfe Marihuana, Haschisch usw. (kein Heroin). Er verdient eine Menge Geld. Er lässt sich vom britischen Geheimdienst anwerben.

Er will den amerikanischen Markt erobern. Doch das in Lautsprechern einer imaginären Band versteckte Kraut wird entdeckt. Marks wird festgenommen und an Großbritannien ausgeliefert.

Als er verurteilt werden soll, kommt er, weil er Beziehungen hat, auf Kaution frei – die er nicht einmal zahlen muss, weil er clever genug ist, eine Entführung vorzutäuschen.

Also kann er weitermachen – auch wenn er zu Englands meistgesuchten Verbrechern gehört. Wieder vor dem Richter, sagt er aus, im Auftrag des britischen und des mexikanischen Geheimdienstes gehandelt zu haben. Freispruch.

Er siedelt sich mit seiner Frau auf einer spanischen Insel an. Ist er ein braver Bürger geworden oder ein Drogenbaron geblieben? Letzteres trifft zu.

Probleme macht ihm nun der Detektiv Craig Lovato. Als der genug Beweismaterial gesammelt hat, nimmt er Howard Marks endgültig fest. Auslieferung an die USA. Urteil: 25 Jahre Haft. Sieben davon verbüßt, dann auf Bewährung freigelassen.

Die Chuzpe dieses Mannes ist sagenhaft. Linear, chronologisch, filmisch nicht uninteressant, ein wenig im biographischen Stil des unlängst aufgeführten Films über den Terroristen „Carlos“, detailliert und auf vielfältige Weise wird das alles berichtet. Ein Paradebeispiel dafür, wie man nicht leben soll.

Ein Genuss, wie Rhys Ifans diesen Schwerenöter, diesen Hochstapler, diesen Verbrecher spielt. Chloe Sevigny ist seine Mitgefühl erweckende Frau. Ebenfalls höchst erwähnenswert: David Thewlis als IRA-Offizier Jim McCann.

Der Film stützt sich auf Howard Marks’ eigenen Bestseller „Mr. Nice“.

Thomas Engel