My Sailor, My Love

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Dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist und man auch im Alter die Liebe noch einmal finden kann, ist das Herz und das Zentrum von „My Sailor, My Love“, aber zugleich ist dies auch die Geschichte eines Vaters und seiner Tochter, die sich vor langer Zeit entfremdet haben. Vor der tollen Kulisse der irischen Insel Achill gedreht, ist dies ein ruhiger, nicht alles aussprechender Film, der darum umso profunder wirkt.

Webseite: https://arsenalfilm.de/my-sailor/index.htm

My Sailor, My Love
Irland / Finnland / Belgien2022
Regie: Klaus Härö
Buch: Jimmy Karlsson, Kirsi Vikman
Darsteller: James Cosmo, Brid Brennan, Catherine Walker

Länge: 103 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 8. Februar 2024

FILMKRITIK:

Howard ist ein alter Seemann, der alleine in seinem Haus wohnt. Seine Tochter Grace hat sich von ihm entfremdet, kümmert sich aber dennoch und besorgt mit Annie eine Haushaltshilfe. Die will der alte Howard eigentlich gar nicht, bis er merkt, dass es doch schön ist, Gesellschaft zu haben. Zwischen Howard und Annie – beide verwitwet – beginnt etwas, dass sie nicht mehr erwartet hätten. Eine zarte Romanze, aber die wiederum missfällt Grace, die gerade selbst arge Probleme in ihrer Beziehung hat.

Nordische Sensibilität trifft hier auf irisches Gefühl. Die Kombination ist schlichtweg wunderbar. „My Sailor, My Love“ ist ein ruhiger, zurückgenommener Film, der das Publikum nicht unterschätzt. Denn er führt nicht alles haarklein auf. Weder erzählt er, wieso Howard praktisch keinen Kontakt mehr zu seien Söhnen hat, noch wird die Liebe zwischen Annie und ihm auf melodramatische oder kitschige Art und Weise gezeigt. Im Gegenteil: Sie entwickelt sich so sanft und unscheinbar, dass der Zuschauer gefordert ist, aufzupassen, um alle Nuance mitzubekommen.

Die neue Liebe ist nur ein Teil der Geschichte. Er verläuft recht geradlinig und zelebriert, dass es nie zu spät ist, etwas Neues im Leben zu entdecken. Der andere Teil ist die schwierige Beziehung von Howard und Grace. Er war als Seemann nie für sie da und fühlte sich zuhause wie ein Fremder, ihr oblag es, sich um die kranke Mutter zu kümmern. Folgerichtig wurde sie Krankenschwester. Vielleicht, weil sie einen Helferkomplex hat, vielleicht, weil sie es nicht anders gelernt hat. Wohl auch deswegen kümmert sie sich um den Mann, von dem sie denkt, dass sie ihm nie etwas bedeutet hat. Es sind die kleinen Momente, die kurzen Dialogpassagen, die das ganze Dilemma greifbar machen – das zweier Menschen, die einander lieben, aber die das nicht zeigen bzw. spüren können.

Grace fühlt sich vor den Kopf gestoßen, als Howard im Kreis von Annies Familie aufblüht. Da ist er der Vater und Großvater, den sie nie gekannt hat. Da bricht es auf, das Gefühl von Schuld, die beide empfinden, über die sie aber nicht hinwegkommen – bis es zu spät ist, um noch zu vergeben. Das Schlussbild ist weniger eines der Hoffnung, als vielmehr Ausdruck dafür, dass es menschliche Erfahrungen gibt, die universell sind – und man auch Trost in den Armen einer Fremden finden kann.

 

Peter Osteried