Next Goal Wins

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Fast überall auf der Welt wird Fußball gespielt, selbst auf der winzigen Inselgruppe Amerikanisch-Samoa, mitten im Pazifik. Hierhin verschlägt es in Taika Waititis Sportfilm „Next Goal Wins“ den abgehalfterten Trainer Thomas Rongen, der aus der schlechtesten Mannschaft der Welt Gewinner machen soll – bzw. zumindest dafür sorgen, dass die Hobbykicker auch mal das Tor treffen.

USA/ GB 2023
Regie: Taika Waititi
Buch: Taika Waititi, Iain Morris
Darsteller: Michael Fassbender, Oscar Kightley, Kaimana, David Fane, Rachel House, Beulah Koale, Uli Latukefu, Chris Alosio, Semu Filipo

Länge: 104 Minuten
Verleih: Disney
Kinostart: 4. Januar 2024

FILMKRITIK:

Im April 2001 – und das ist kein Aprilscherz – verlor die Nationalmannschaft von Amerikanisch-Samoa ein Qualifikationsspiel zur Fußballweltmeisterschaft gegen Australien mit dem sagenhaften Ergebnis von 0:31. Was natürlich absurd klingt, andererseits auch nicht so überraschend erscheint, schließlich leben auf der Inselgruppe im Pazifik gerade einmal 45.000 Menschen, allzu viele Fußballspieler gibt es dementsprechend nicht. Länderspiele gegen Nachbarinselstaaten wie Tonga oder die Salomonen gehen mit schöner Regelmäßigkeit verloren, nur selten schießt Amerikanisch-Samoa dabei ein Tor.

Das wollte der Vorsitzende des Nationalen Fußballverbandes ändern und so engagierte er 2011 einen international erfahrenen Trainer: Thomas Rongen (Michael Fassbender) findet sich plötzlich im Pazifik wieder und trainiert Spieler, die kaum geradeaus laufen können, vom geradeaus Schießen des Balles ganz zu schweigen. So zumindest schildert Taiki Waititi in seinem Spielfilm „Next Goal Wins“ die Situation, die man allerdings nicht ganz ernst nehmen sollte: Auch wenn die Story in Grundzügen stimmt, reicht sie dennoch tief und ganz bewusst in die Welt der Mythen und Legenden, was dem Geschehen einen hübsch ironischen Unterton verleiht, man könnte auch von einem „Cool Running“-Vibe sprechen. Denn ähnlich wie jene Komödie über Bobfahrer aus Jamaika, lebt auch „Next Goal Wins“ von Gegensätzen und Absurditäten.

Was es aber nicht ist bzw. nur auf in gewisser Weise umgedrehte Weise ist eine White Saviour-Narration, bei der ein weißer Mensch angeblich unzivilisierten, überforderten Menschen aus dem globalen Süden aus der Patsche hilft. Dezidiert weißt der Film dieses ebenso bekannte wie veraltete Erzählmuster von sich und dreht es kurzerhand um: Hier ist es nicht das abgehalfterte Team, das durch die Hilfe eines weißen Trainers auf einmal zum Erfolg findet (auch wenn am Ende natürlich ein Tor geschossen wird), hier ist es ein abgehalfterter Trainer, der durch die Konfrontation mit den Eigenarten eines durchaus skurrilen Inselvölkchens zu sich selbst findet.

Auch dies ist nun allerdings eine allseits bekannte Variation, aus der Taika Waititi jedoch einiges an Witz und Humanität herausholt. Stets schafft er es, sich nicht über die Macken der Inselbewohner lustig zu machen, sondern ihre Aversion gegen Stress, ihr tägliches, pünktliches Versinken in Gebete und manch andere Eigenart nicht als seltsam, sondern als Zeichen ihrer Individualität zu schildern. Von der sich Thomas Rongen eine Scheibe abschneidet und dadurch nicht nur sich selbst rettet, sondern auch sein Team zu einem seltenen Erfolgserlebnis führt. Ob sich das in der Realität tatsächlich so zugetragen hat sei dahingestellt, für die Dauer eines Fußballspiels (plus Nachspielzeit) unterhält das ganz ausgezeichnet.

 

Michael Meyns