Nightwatch: Demons Are Forever

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Schlägt ein Film überraschend ein, lassen Fortsetzungen meistens nicht lange auf sich warten. Der dänische Horrorthriller „Nightwatch – Nachtwache“ (1994) erhielt mit „Freeze – Alptraum Nachtwache“ (1997) zwar ein US-Remake, das Ursprungsregisseur Ole Bornedal inszenieren durfte. Ein Sequel erblickte jedoch nicht das Licht der Welt. Bis jetzt. 30 Jahre nach seinem Kinodebüt spinnt der skandinavische Filmemacher seine Geschichte weiter und lässt – der Titel kündigt es an – die Dämonen von damals wieder von der Kette.

Webseite: https://www.capelight.de/nightwatch-demons-are-forever

Nattevagten: Dæmoner går i arv
Dänemark 2023
Regie: Ole Bornedal
Drehbuch: Ole Bornedal
Darsteller: Fanny Leander Bornedal, Nikolaj Coster-Waldau, Kasper Kjær Jensen, Sonja Richter, Ulf Pilgaard, Alex Høgh Andersen, Vibeke Hastrup, Kim Bodnia u. a.

Länge: 114 Minuten
FSK: ab 16 Jahren

Verleih/Vertrieb: capelight pictures
Kinostart: 16. Mai 2024

FILMKRITIK:

Im Original bekleidete der seinerzeit noch unbekannte, inzwischen dank „Game of Thrones“ zu einem internationalen Star aufgestiegene Nikolaj Coster-Waldau die Rolle des Jurastudenten Martin, der einen Nebenjob als Nachtwächter in der Kopenhagener Gerichtsmedizin antritt und dort in die Fänge des serienmordenden Polizisten Wörmer (Ulf Pilgaard) gerät. Der junge Mann und seine Freundin Kalinka (Sofie Gråbøl) können dem Killer nur mit Hilfe ihres Freundes Jens (Kim Bodnia) entkommen und scheinen am Ende die schrecklichen Erlebnisse hinter sich zu lassen. Beschwingt und mit einem Augenzwinkern beschließt der auch für das Drehbuch verantwortliche Ole Bornedal seinen schauerlichen Thriller, dem ein ordentlicher Schuss schwarzen Humors beigemischt ist.

„Nightwatch: Demons Are Forever“ bricht nun auf denkbar deutlichste Weise mit den letzten Bildern des Vorgängers und strebt in eine Richtung, die schon David Gordon Green in seiner auf John Carpenters Horrorklassiker „Halloween – Die Nacht des Grauens“ aufbauenden Slasher-Trilogie verfolgte: Wie wirken sich drastische Gewalterfahrungen auf ein Leben aus? Welche Schatten werfen die Geschehnisse? Was machen sie mit einer Familie? Und ist es irgendwann möglich, ihnen zu entkommen? Traumata und ihre Überwindung stehen im Mittelpunkt der Fortsetzung, wobei eine neue Hauptfigur die Bühne betritt.

Geprägt vom Selbstmord ihrer Mutter, die die Konfrontation mit Wörmer nie verwinden konnte, versucht Medizinstudentin Emma (Fanny Leander Bornedal, die Tochter des Regisseurs), irgendwie klarzukommen und ihren psychisch angeschlagenen Vater Martin (Nikolaj Coster-Waldau) zu stützen. Um mit der grausigen Geschichte ihrer Familie abschließen zu können, nimmt auch sie einen Job in der Pathologie an und streift, ähnlich wie Martin rund 30 Jahre zuvor, mit Kopfhörern durch die verlassenen Flure. Kenner des Originals dürften so manche Spiegelung entdecken. Anders als in „Nightwatch – Nachtwache“ wird die Gerichtsmedizin jedoch nicht zum atmosphärischen Hauptschauplatz der Handlung.

Den einstigen Schrecken aufzuarbeiten, der das Leben der jungen Frau ebenfalls massiv beeinflusst, ist nicht verkehrt. Emma geht dabei allerdings erstaunlich brachial zu Werke. Als sie erfährt, dass Wörmer entgegen ihrer Annahme nicht gestorben ist, sondern in einer Psychiatrie, mittlerweile erblindet, dahinvegetiert, will sie dem Monster in die Augen schauen. Kurzerhand erschleicht sie sich einen Besuch und kotzt dem Peiniger ihrer Eltern all ihre Wut, ihren Schmerz vor die Füße und nimmt den gebrechlich wirkenden Mann mit ihrer Handykamera auf. Ein grenzüberschreitender Akt, auf den alsbald frisches Blutvergießen folgt…

Bleiern schwer liegen die traumatischen Erlebnisse der Vergangenheit über „Nightwatch: Demons Are Forever“. Vom jugendlichen Leichtsinn, den sarkastischen Spitzen aus dem Ursprungswerk ist nichts geblieben. Lediglich in einer Szene blitzt zwischen Martin und dem aus Thailand einfliegenden Jens mal so etwas wie Unbeschwertheit auf. Ein Gefühl, das kaum fünf Minuten anhält. Der Ansatz, Traumata in einem generationsübergreifenden Rahmen nachzuspüren, ist zweifelsohne reizvoll. Als familiäres Drama funktioniert der Film aber nur bedingt, da Bornedal dann doch recht häufig ins Küchenpsychologische abdriftet.

Auch als schockierender Thriller überzeugt die Fortsetzung keineswegs restlos. Hier und da gelingen dem Regisseur beunruhigende Bilder, erzeugt er eine ungemütliche Stimmung. Diverse abgegriffene Konventionen des Serienkillerkinos und eine manchmal arg klischeehafte Darstellung seelisch kranker Menschen ziehen den Gesamteindruck allerdings nach unten. Spannungstechnisch ist „Nightwatch: Demons Are Forever“ weder ein Totalausfall noch brillant – und damit ein Sequel, das es nicht unbedingt gebraucht hätte.

 

Christopher Diekhaus