Norwegian Dream

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Eine klassische Coming Out-Geschichte erzählt der polnisch-norwegische Regisseur Leiv Igor Devold“ in seinem naturalistischen Drama „Norwegian Dream.“ Vor allem der junge polnische Hauptdarsteller Hubert Milkowski überzeugt in einem Film, der sich etwas zu sehr entlang bekannter, allerdings durchaus auch bewährter Muster entwickelt.

Polen/ Norwegen/ Deutschland 2023
Regie: Leiv Igor Devold
Buch: Justyna Bilik, Gjermund Gisvold, Radosław Paczocha
Darsteller: Hubert Milkowski, Karl Bekele Steinland, Edyta Torhan, Oyvind Brandtzaeg, Jakub Sierenberg, Karl Bekele Steinland

Länge: 97 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 23. November 2023

FILMKRITIK:

Nicht nur in Deutschland bestimmt das Thema Migration die politische Agenda, wird versucht einen Weg zu finden, „unerwünschte“ Migranten auszuweisen, gleichzeitig aber „erwünschte“ anzulocken. Auch in Norwegen reicht die einheimische Bevölkerung nicht mehr aus, um alle Arbeitsplätze zu besetzen, gerade in den weniger attraktiven Bereichen, wie etwa der für die Wirtschaft des Landes enorm wichtigen fischverarbeitenden Industrie.

Viele migrantische Arbeiter kommen aus Polen nach Norwegen, versuchen in kurzer Zeit möglichst viel zu verdienen und in dem bekanntermaßen hochpreisigen Land möglichst wenig auszugeben. Einer von ihnen ist der 19jährige Robert (Hubert Milkowski), der in der Nähe von Trondheim in einer Fischfabrik anheuert. Während aber sein Zimmergenosse Marek (Jakub Sierenberg) nach Norwegen gekommen ist, um Geld zu verdienen, um in der Heimat ein Haus zu bauen und zu heiraten, sind Roberts Gründe komplizierter: Zum einen versucht er Geld zu verdienen, um die Schulden abzuzahlen, die seine Mutter angehäuft hat, zum anderen ist er vor der repressiven, homophoben Atmosphäre in seiner Heimat geflohen. Denn Robert ist schwul, auch wenn er selbst das noch nicht ganz akzeptiert hat, auch wenn er versucht, den Schein aufrecht zu erhalten und ein wenig verschämt mitlacht, als seine Kollegen in der Fabrik sich über den Vorarbeiter Ivar (Karl Bekele Steinland) lustig machen, der in der Pause tanzt. Als Sohn des Fabrik-Besitzers geniest Ivar eine besondere Rolle, fühlt sich als Adoptivsohn, noch dazu als dunkelhäutiger, allerdings auch als Außenseiter in der norwegischen Gesellschaft. Die wirkt von Außen zwar betont progressiv und liberal, ist es im Kern allerdings nicht in diesem Maße.

Unweigerlich kommt es nun zur Annäherung der beiden jungen Männer, Ivar erkennt in Robert eine verwandte Seele, auch wenn dieser größte Schwierigkeiten damit hat, mit seiner wahren Sexualität, seinen wirklichen Begierden konfrontiert zu werden. In einem Drag-Club, in dem Ivar auftritt, kommt es gar zu einem Eklat, der die sich anbahnende Romanze zunächst aus der Bahn wirft. Zusätzliche Komplikationen entstehen schließlich durch einen Streik in der Fabrik, in dem sich Robert zunächst auf die Seite der Streikbrecher stellt, während Ivar sich gegen seinen Adoptiv-Vater stellt.

Als Charakterstudie inszeniert der in Polen geborene, in Oslo aufgewachsene Leiv Igor Devold seinen zweiten Spielfilm, verzichtet weitestgehend auf stilistische Überhöhungen, auch die spektakuläre Landschaft Norwegens wirkt angesichts des blassen Lichts, der naturalistischen Kamera trübe und wenig spektakulär. So sind es vor allem die beiden Hauptdarsteller, vor allem der junge Shooting Star Hubert Milkowski, die die konventionellen Motive des Drehbuchs übertünchen. In etwas zu ausgetretenen Bahnen entwickelt sich die Coming Out-Geschichte, bekannte Muster und Konflikte werden variiert, wirkliche Eigenständigkeit oder Originalität entwickelt sich allerdings nur selten. Fast wie ein Debütfilm mutet „Norwegian Dream“ dadurch an, wie ein Film, der mit viel Herz und Empathie entstand, ein ungewöhnliches Setting und überzeugende Darsteller hat, allein inhaltlich nur bedingt überzeugt.

 

Michael Meyns