Nur wir drei gemeinsam

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Grandios! Dieser Film ist viel, viel mehr als eine Flüchtlingsgeschichte, auch wenn er allein damit schon überzeugt. Denn hier kommt eine wunderbare Komödie, ein warmherziger Familienfilm, ein kämpferisches Sozialdrama – und das alles in feinster Cineastenqualität. Es geht um die wahre Geschichte von Hibat und seiner Frau Fereshteh. Sie entkommen der Verfolgung im Iran und bauen sich in Frankreich ein neues Leben auf. Immer mit dabei: ihr Sohn. Das Multitalent Kheiron erzählt die Biographie seiner eigenen Familie mit Witz, Verstand und Leidenschaft und macht daraus ein optimistisches Plädoyer für Liebe und Menschlichkeit.

Webseite: www.nurwirdreigemeinsam-derfilm.de

Originaltitel: Nous trois ou rien
Regie und Drehbuch: Kheiron
Darsteller: Kheiron, Leïla Bekhti, Gérard Darmon, Zabou Breitman, Alexandre Astier, Kyan Khojandi, Arsène Mosca, Eriq Ebouaney
Music Department: Quentin Boniface, Bonus Track
Länge: 102 Minuten
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 4.8.2016
 

Preise/Auszeichnungen:

Tokyo International Film Festival, Spezialpreis der Jury

FILMKRITIK:

Heimat ist da, wo die Familie ist – das könnte die Kernaussage dieses Films sein, der von Widerstand, Verfolgung und Flucht ebenso erzählt wie von Hoffnung und Neuaufbau. Als junger Jurastudent kämpft der Iraner Hibat auf Seiten der Kommunisten gegen die Macht des Schahs, wird inhaftiert und bleibt dennoch seinen Ansichten treu, auch gegen den Widerstand in der eigenen Familie. Nach der Entlassung trifft Hibat die junge Krankenschwester Fereshteh. Es ist Liebe auf den ersten Blick, aber für ein unbekümmertes Leben zu zweit ist keine Zeit. Denn auf den Sturz der Monarchie folgt die Diktatur der Islamisten – und Hibat geht wieder in den Untergrund, diesmal unterstützt von Fereshteh, die seine Ansichten teilt. Sie bekommen einen Sohn und verlassen den Iran für immer. Mit Hilfe von Fereshtehs Eltern flüchten sie zuerst in die Türkei und von dort nach Frankreich, wo sie sich eine neue Existenz aufbauen, die bis heute geprägt ist von sozialem Engagement. So weit der Inhalt, aber die wahre Qualität dieses Films zeigt sich in Ausführung, Atmosphäre und Darstellung: eine exquisite Komödie mit mächtig viel Tiefgang, die manchmal spielerisch, manchmal mit großem Ernst davon erzählt, dass es sich lohnt, ein anständiger Mensch zu sein und zu bleiben.
 
Wie schön, dass es solche Filme gibt! Sie sorgen für Hoffnung – für die Welt, fürs Kino und vor allem für alle Menschen, die immer ganz kurz davor sind, sich der Verzweiflung hinzugeben, weil sowohl die Welt als auch das Kino in vielen Belangen deutlich verbesserungswürdig sind. Kheiron, der ein wunderbarer Schauspieler ist und gleichzeitig Autor und Regisseur seiner eigenen Biographie, erzählt die bewegte und bewegende Geschichte seiner Eltern als tragikomische und oft sehr schwarzhumorige Reise durch die Vergangenheit. Dabei gelingt es Kheiron, zwischen Ernst, Irrsinn und Komik zu balancieren wie ein besonders mutiger Seiltänzer, der die schwierigsten Passagen mit lässiger Eleganz überwindet. Zu den großen Widersprüchen der Komik gehört, dass nichts so schwierig ist wie die Leichtigkeit und dass Komiker, also Menschen, die komisch sein können, als minderbegabte Schauspieler bzw. Lachnummern abgetan werden. Wie groß dieser Irrtum ist, zeigt sich hier einmal mehr.
 
Die politische Gefangenschaft Hibats inklusive Einzelhaft und Folter wird bei Kheiron zur beklemmenden Darstellung, die erst mit einem Hauch von Komik erträglich wird, so wie das Leben an sich. Lachen als Akt der Selbstverteidigung – das ist eine schwierige Angelegenheit, ein Drahtseilakt, der leicht zum Absturz führen kann, umso mehr, wenn es sich um die Geschichte der eigenen Eltern handelt. Doch Kheiron weiß, was er tut. Bei ihm wird das Lachen zum erlösenden Momentum, das sich von den handelnden Personen aufs Publikum überträgt. Und manchmal wird er sogar ein bisschen albern – der Schah von Persien ist bei ihm ein lächerlicher Ignorant. Atmosphärisch erinnert der Film an einige der schönsten Komödien der Filmgeschichte, in denen schwere Probleme mit leichter Hand und dennoch nicht leichtfertig behandelt werden: „Das Leben ist schön“ und „Sein oder Nichtsein“ wären nur zwei Beispiele dafür. Ob es um die politische Geschichte des Irans oder um die junge Liebe seiner Eltern geht – mit feiner Ironie und frechem Witz verbreitet Kheiron seine Botschaft vom Leben in und mit der Familie: „Besser zusammen in der Hölle als allein im Himmel“ und macht daraus eine wunderschöne Liebeserklärung an seine Eltern. Seinen Vater Hibat zeigt er als aufrechten, ruhigen Intellektuellen mit Bodenhaftung, der mit unbeirrbarem Kampfgeist für Recht und Freiheit eintritt. Fereshteh, Kheirons Mutter, spielt Leïla Bekhti mit sprühendem Temperament. Niemand würde es wagen, diesem Energiebündel jemals zu widersprechen, selbst Hibat nicht. In ihrer Mischung aus blitzendem Intellekt und Sinn für Humor sind sich die beiden sehr ähnlich. Wunderbar auch Fereshtehs Eltern: Gérard Darmon als nur nach außen ruppiger Vater und Zabou Breitman als freundlicher Familiendrache. Sie helfen Fereshteh, Hibat und dem Baby, aus dem einmal Kheiron werden wird, bei der Flucht. Allein diese Geschichte ist eine emotional berührende und dennoch sehr komische Gratwanderung – doch letztlich nur eine Episode in einem beinahe epischen Werk, das von der Macht der Liebe handelt, von Kampf, Abschied und vom Neuanfang und von starken Persönlichkeiten, die sich nicht unterkriegen lassen.
 
Ganz am Schluss, zu Beginn des Abspanns, öffnet Kheiron das Familienalbum und stellt die echten Fotos den Bildern aus dem Film gegenüber. Und dann ist es, als ob man dazugehört. Schön.
 
Gaby Sikorski