Oh la la – wer ahnt denn sowas?

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Alice und François planen ihre Hochzeit, und dazu gehört auch in Frankreich das traditionelle Treffen der künftigen Schwiegereltern. Die vier ahnungslosten Eltern werden dabei von ihren Kindern mit den Ergebnissen ihrer Gentests konfrontiert. Und dann geht’s rund.
Das Regiedebüt des erfahrenen Comedy-Autoren Julien Hervé ist eine Hochzeitskomödie, in der es mit schöner Boshaftigkeit um Vorurteile und nationalistisches Gedankengut geht, vor allem aber um Menschen, die in die eigene Falle ihrer chauvinistischen Ansichten tappen. Das ist schon allein aufgrund der beiden Giganten der Hochkomik, Christian Clavier und Didier Bourdon, und der im zweiten Teil sehr starken Sylvie Testud den Gang ins Kino wert. Es darf gelacht werden!

Oh la la – wer ahnt denn sowas?
Originaltitel: Cocorico
Webseite: https://www.weltkino.de/kino
Frankreich 2023
Buch und Regie: Julien Hervé
Darsteller: Christian Clavier, Marianne Denicourt, Didier Bourdon, Sylvie Testud
Kamera: Jérôme Alméras
Musik: Matei Bratescot
93 Minuten
Verleih: Weltkino
Start: 21. März 2024

FILMKRITIK:

Alice (Chloé Coulloud) und François (Julien Pestel) wollen heiraten, und Alices Eltern haben zum traditionellen Kennenlerntreffen der Eltern eingeladen. François macht sich mit seinem Vater Gérard (Didier Bourdon) und seiner Mutter Nicole (Sylvie Testud) auf den Weg. Als Gérard seinen treuen Peugeot zwischen den teuren Mercedes-Karossen auf dem Hof vor dem Schloss der Gastgeber abstellt, wird ihnen einiges klar. Alices Eltern, Cathérine (Marianne Denicourt) und Frédéric (Christian Clavier), sind reiche Aristokraten. Obwohl die beiden Damen mit allen Kräften versuchen, eine möglichst freundliche Konversation auf den Weg zu bringen, steht schon nach wenigen Minuten fest, dass Gérard und Frédéric zusammen eine hoch explosive Mischung darstellen, etwa so wie Nitro und Glyzerin: für sich genommen harmlos, aber wenn man sie zusammenbringt, gibt es Zunder. Frédéric entpuppt sich als arroganter Winzerschnösel, der mit seiner Bildung und seiner adligen Herkunft angibt. Gérard ist in seinen Augen ein ahnungsloser Prolet und seine Frau Nicole ein dusslige Hausfrau, während Cathérine, Frédérics Gemahlin, eine echte italienische Principessa ist. Kurz: Frédéric zeigt in unerfreulicher Offenheit, was er von den Gästen hält, und muss deshalb von Cathérine mehrfach zur Ordnung gerufen werden.

Auf der einen Seite also „Noblesse oblige – Adel verpflichtet“, auf der anderen Seite die einfachen Bürger: der patriotische Gérard und die bis zur Selbstaufgabe um Freundlichkeit bemühte Nicole. Als die Verlobten ihre Überraschung entkorken: ein Gentest für die beiden Elternpaare als gemeinsames Geschenk zur Verlobung, sind die Fronten schon geklärt. Die Testergebnisse sind nicht nur eine Überraschung und sollen es hier auch bleiben, sondern sie stellen praktisch alles in Frage, was bisher für die vier Betroffenen Grundlage ihrer Existenz war: ihre Familie und ihre Herkunft. Sie werden von ihren eigenen Vorurteilen eingeholt und überholt. Frédéric reitet dabei genüsslich auf den Ergebnissen der anderen herum und findet treffsicher jeweils die Stelle, wo es am meisten wehtut, damit er dort weiterbohren kann. Allerdings nur, bis sein eigenes DNA-Testergebnis feststeht.

Clavier mimt gelungen einen arroganten eitlen Fatzke, der nach dem bekannten Motto „Man wird ja wohl noch ein Späßchen machen dürfen“ mit Gemeinheiten um sich wirft. Das ist schauspielerisch großartig gemacht, allerfeinstes Boulevard – Frédéric ist ein Fiesling par excellence, ein Giftzwerg, dem sofort alle Antipathien zufliegen. In den „Monsieur Claude“-Filmen war Clavier dagegen beinahe harmlos. Christian Clavier ist der König der genüsslichen Übertreibung. Anders als der springteufelhafte Louis de Funés, der allein mit seiner Körperkomik unterhalten konnte, braucht der wortwitzige Christian Clavier immer mindestens einen Gegenspieler, an dem er sich messen kann. Der wuchtige Didier Bourdon, mit dem Clavier schon oft auf der Bühne stand, ist da eine gute Wahl. So wird der Film zum hammerhart witzigen Duell zweier Sensationskomiker. Dabei kann es im Publikum nicht nur zu hemmungslosem Gelächter, sondern auch zu gelegentlicher Schnappatmung kommen angesichts der Bosheit und Treffsicherheit der im Sekundentakt niederprasselnden Gemeinheiten.

Der gesamte Plot beruht auf dem Spiel mit Vorurteilen: gute Franzosen auf der einen Seite, auf der anderen Seite der Rest der Welt, angeführt von den Deutschen. Der französische Nationalismus – und damit auch jeder andere – wird hier erst zum Äußersten getrieben und dann ad absurdum geführt. Das ist oft ganz wunderbar überzogen und herrlich komisch. Und auch wenn der zweite Teil mit dem ersten nicht ganz mithalten kann – da geht es dann vor allem um die tragikomischen Folgen der Gentest-Analysen, ist die knallige Komödie schon allein wegen der strahlenden Performance der beiden Starkomiker und wegen seines Anspruchs, jede Form von Chauvinismus lächerlich zu machen, auf jeden Fall sehenswert.

Gaby Sikorski