Oldboy

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In seinem Remake des koreanischen Kultfilms „Oldboy“ variiert Spike Lee die perfide Rachegeschichte um einen Mann, der Jahre eingesperrt wurde und plötzlich frei gelassen wird. Teilweise für den amerikanischen Markt entschärft, teilweise nah am Original, bewegt sich dieser neue „Oldboy“ zwischen Psychostudie und B-Movie, erreicht jedoch nicht die Kraft des meisterlichen Originals.

Webseite: www.oldboyfilm.de

USA 2012
Regie: Spike Lee
Buch: Mark Protosevich
Darsteller: Josh Brolin, Elisabeth Olsen, Samuel L. Jackson, Hannah Simone, Sharlto Copley, Michael Imperioli
Länge: 104 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 5. Dezember 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Joe Doucett (Josh Brolin) ist ein Arschloch. Anders lässt sich der Angestellte einer Werbeagentur nicht beschreiben: Er säuft wie ein Loch, macht sich an jede halbwegs attraktive Frau ran, denkt stets nur an sich und vernachlässigt auch noch seine Frau und seine kleine Tochter. Sein einziger Kumpel ist sein Barkeeper Chucky (Michael Imperioli), doch selbst der setzt Joe an diesem verhängnisvollen Abend vor die Tür.

Denn als Joe aus seinem neuerlichen Suff aufwacht, findet er sich in einem Zimmer wieder, das nur wie ein Motel aussieht, stattdessen jedoch ein Gefängnis ist. 20 Jahre wird Joe hier verbringen, jeden Tag das gleiche Essen serviert bekommen, im Fernseher von der Ermordung seiner Frau erfahren, für die er verantwortlich gemacht wird und sich den Kopf zerbrechen: Wer hat ihn eingesperrt, was ist mit seiner Tochter passiert und vor allem: Wie kommt er aus seinem Gefängnis wieder raus.

Doch gerade als Joe sich selbst den Weg in die Freiheit erkämpft zu haben glaubt, wird er freigelassen und findet sich mit einem Telefon auf einer einsamen Wiese wieder. Dass ein gewisser Adrian Pryce (Sharlto Copley) hinter der Sache steckt ist schnell klar, nur warum? Gemeinsam mit der ehemaligen suchtkranken Marie (Elisabeth Olsen) macht sich Joe auf die Suche nach Antworten, stöbert immer tiefer in seiner meist unschönen Vergangenheit und hat am Ende eine schreckliche Erkenntnis.

Im Mai 2004 feierte Park Chan-wooks „Oldboy“ Premiere in Cannes und entwickelte sich schnell zu einem der einflussreichsten Filme jüngerer Zeit. Seine perfide konstruierte Rachegeschichte, sein exaltierter Stil, die brutale, mit Walzerrhythmen unterlegte Gewalt: „Oldboy“ war all das, was westliche Genre-Filme nicht sind. Dementsprechend schnell wurde von einem Remake gesprochen, dass schließlich ausgerechnet Spike Lee inszenierte, der sich gemeinhin eher mit den sozialen Missständen der schwarzen amerikanischen Bevölkerung beschäftigt.

Spike Lees „Oldboy“ vom Original isoliert zu betrachten ist kaum möglich, zumal sich das Remake zwar nicht sklavisch an die Vorlage hält, aber doch bewusst all die berühmten Szenen und Momente des Originals übernimmt: In langen Einstellungen gefilmte Prügeleien, ein perfider Antagonist, der nur für seien Rache lebt, Variation des Inzest. All das inszeniert Spike Lee in rohen, farbdurchtränkten Bildern, mit einem furchtlosen Hauptdarsteller, der mit ganzem Körpereinsatz agiert.

Für sich betrachtet, ist Lees „Oldboy“ ein solider Genrefilm, der seine Gewaltmomente etwas plakativ ausstellt, aber eine perfide Rachegeschichte konsequent und ungeschönt zu Ende erzählt. Doch gerade im Vergleich zu Parks „Oldboy“ zeigen sich die Schwächen des Remakes: Da wirkt Lees Inszenierung dann doch zu glatt, die menschlichen Abgründe zu oberflächlich. Während Park eine typische B-Movie-Geschichte mit stilistischer Extravaganz zu großem Drama überhöhte, macht Lee aus einer B-Movie-Geschichte ein B-Movie. Was auch nicht schlecht ist, aber eben auch nicht mehr.

Michael Meyns