Leonardo DiCaprio taumelt als ehemaliger Revolutionskämpfer durch Paul Thomas Andersons neuen Kinofilm, der Actionthriller, absurde Komik und Gesellschaftskritik auf verblüffend wirkungsvolle Weise verbindet. Ein Ereignis ist aber auch die körperbetonte Darbietung Sean Penns in der Rolle eines durchgeknallten Militärs. Donald Trump wird über all das sicher wieder nur Gift und Galle spucken können.
Über den Film
Originaltitel
One Battle After Another
Deutscher Titel
One Battle After Another
Produktionsland
USA
Filmdauer
162 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Anderson, Paul Thomas
Verleih
Warner Bros. Entertainment GmbH
Starttermin
25.09.2025
Paul Thomas Anderson lässt sich Zeit. Während andere Regisseure im Akkord Leinwandwerke drehen, vergehen bei dem gebürtigen Kalifornier zwischen zwei Projekten oft mehrere Jahre. Sein Spielfilmdebüt „Last Exit Reno“ kam 1996 in die Kinos, und mit „One Battle After Another“ legt er nun, knapp drei Dekaden später, „erst“ seine zehnte abendfüllende Arbeit vor. Überhaupt besetzt Anderson mit seinen eigenwilligen, manchmal etwas sperrigen, nicht selten aber stargespickten Dramen in den USA eine Nische.
Dass er zugänglichere Unterhaltungskunst und Kurioses gewitzt verbinden kann, beweist sein neuer Streich eindrucksvoll. Inspiriert von Thomas Pynchons Roman „Vineland“, taucht der Autorenfilmer in das Umfeld einer revolutionären Untergrundorganisation namens „French 75“ ein, die dem kapitalistischen System und all seinen unschönen Auswüchsen den Kampf angesagt hat. Stromausfälle werden provoziert, Banken überfallen, Gebäude in die Luft gejagt. Und noch dazu setzen sich die Partisanen für unter Druck geratene Migranten ein.
Eine Befreiungsaktion in einem Gefängnis mit vielen ausländischen Insassen bringt Ghetto Pat (Leonardo DiCaprio), seine Freundin Perfidia (Teyana Taylor) und ihre Mitstreiter auf den Radar des Colonels Steven J. Lockjaw (Sean Penn). Zwischen ihm und Perfidia entspinnt sich in der Folge ein abgründiges sexuelles Machtspiel. Ihren Feldzug gegen Ungerechtigkeiten stellt die junge Frau auch dann nicht ein, als sie eine Tochter zur Welt bringt, um die sich ihr Partner Pat liebevoll kümmert. Nach einem aus dem Ruder gelaufenen Raubzug der Gruppe wird Perfidia geschnappt und verschwindet nur wenig später gegen Preisgabe wichtiger Informationen im Zeugenschutzprogramm. Pat wiederum taucht mit dem Baby in der Kleinstadt Baktan Cross unter.
Anderson führt durchaus ausgiebig in das Revoluzzer-Milieu ein. Die eigentliche Handlung geht dann aber erst nach einem Zeitsprung von 16 Jahren los, der leider die von Musikerin Teyana Taylor mit unglaublicher Energie gespielte Perfidia komplett aus dem Geschehen herauskatapultiert. Einer der wenigen Punkte, die man „One Battle After Another“ vielleicht ankreiden kann. Nach wie vor lebt der sich inzwischen Bob nennende Pat in der Provinz mit seiner Tochter Willa (Chase Infiniti) zusammen. Unbemerkt, wie er glaubt. Doch der wie ein Besessener nach ihm und der Teenagerin suchende Lockjaw ist ihnen inzwischen dicht auf den Fersen. Immerhin vermutet er, dass er der Vater des Mädchens sein könnte. Während die Jugendliche von einer alten Weggefährtin Bobs (Regina Hall) vorläufig in Sicherheit gebracht wird, macht er sich auf seiner plötzlichen Flucht vor dem mit einer Kampftruppe anrückenden Colonel auf die Suche nach der Teenagerin.
Die Grundkonstellation klingt nach geradliniger Thriller-Kost. Der auch für das Drehbuch verantwortliche Regisseur nimmt sich aber immer wieder Zeit für Seitenblicke, Abzweigungen und gesellschaftskritische Kommentare ohne Hang zum Didaktischen. Das Schicksal der Migranten, der fadenscheinig begründete Aufmarsch bis an die Zähne bewaffneter Soldaten und die durch sie bewusst angeheizte Stimmung in Baktan Cross lassen einen unweigerlich an Donald Trumps fragwürdige Law-and-Order-Maßnahmen denken, mit denen er seit dem Antritt seiner zweiten Amtszeit im Januar 2025 nur so um sich wirft. „One Battle After Another“ wurde zwar schon im Frühjahr 2024 gedreht, ist aber dennoch beängstigend nah an der Wirklichkeit der USA im Spätsommer 2025.
Selbst der eigentlich überzeichnete Zirkel reicher, weißer Männer, die sich ein reinrassiges Amerika erträumen und in geheimen Bunkeranlagen konspirative Treffen abhalten, fühlt sich realer an, als man meinen würde. Kein Wunder, dass einem das Lachen da mitunter fast im Halse stecken bleibt.
So ernst manche Themen auch sein mögen, gelingt es dem Film trotzdem stets, fließend in den Unterhaltungsmodus zu wechseln. Zum Schießen komisch ist schon die von DiCaprio gewohnt überzeugend verkörperte Figur des lethargischen, ständig bekifften Ex-Revolutionärs, der alle früheren Ideale längst hinter sich gelassen hat. Ein bisschen scheint es so, als stünde hier eine etwas jüngere Version des Dudes aus „The Big Lebowski“ vor uns. Bob ist nicht gerade das, was man einen strahlenden Hollywood-Helden nennt. Mit einem Ziel vor Augen, aber doch reichlich überfordert stolpert er durch die Geschichte , was vor allem im Mittelteil für ebenso spannende wie witzige Momente sorgt. Allein die Running Gags rund um Bobs dringendes Bedürfnis, sein Handy aufzuladen, und einen geheimen Revoluzzer-Code sind ungemein amüsant.
Behände wechselt Anderson zwischen ganz unterschiedlichen Stimmungen. Wunderbar facettenreich ist die Musikuntermalung von Radiohead-Musiker Jonny Greenwood, die mal verspielt, mal nervös-bedrohlich daherkommt. Vielseitig präsentiert sich die optische Gestaltung von leinwandfüllenden Gesichtern bis hin zu hochdynamischen Plansequenzen. Und allemal erinnerungswürdig ist Sean Penns physische Darbietung als unberechenbarer Antagonist, dessen verbissene Mimik und steifer Gang bereits große Anspannung erkennen lassen. Kurz gesagt: So wünscht man sich das Hollywood-Starkino öfters – kurzweilig, mitreißend, dabei aber auch skurril und etwas unkonventionell.
Christopher Diekhaus