Das berührende Biopic „One Chance – einmal im Leben“ präsentiert seine teils wahre Geschichte über den „Britain´s got Talent“-Gewinner Paul Potts als Kino der großen Gefühle. Dabei vermeidet US-Regisseur David Frankel („Der Teufel trägt Prada“) trotzdem stilsicher Pathos und Hollywood-Sentimentalitäten. Vielmehr inszeniert der 54jährige New Yorker sein modernes Märchen vom Aufstieg eines Handyverkäufers zum Klassikstar fast wie ein Stück poetisch-britisches Arbeiterkino mit der universellen Botschaft: Lebe Deinen Traum.
Webseite: www.onechance-derfilm.de
Großbritannien, USA 2013
Regie: David Frankel
Drehbuch: Justin Zackham
Kamera: Florian Ballhaus
Darsteller: Jemima Rooper, Julie Walters, James Corden, Colm Meaney, Mackenzie Crook, Simon Cowell
Länge: 103 Minuten
Verleih: Concorde
Kinostart: 22. Mai 2014
FILMKRITIK:
Vom Handyverkäufer zum Klassikstar: Paul Potts' Karriere rührt jeden, der noch Sinn für moderne Märchen besitzt. Denn der 37-jährige Laientenor aus Großbritannien verkörpert so gut wie kein anderer die Botschaft: Nutze deine Talente, auch wenn scheinbar alles gegen dich spricht. Seine Geschichte ist inzwischen Legende. Kein Wunder, dass der kometenhafte Aufstieg des scheuen Waliser Amateur-Opernsängers Hollywood inspiriert sein Leben in Kinobilder zu kleiden. Als Vorlage für das Drehbuch diente Paul Potts Biographie mit dem Titel: „Wie der Traum meines Lebens wahr wurde“.
„Sei immer ganz du selbst!” Diese Kernaussage transportiert der Titelheld trotz
seiner schwierigen, oft schmerzhaften Entwicklung. Paul Potts (James Corden) entdeckt sein Talent und seine Leidenschaft für die Oper in einer Umgebung, in der das Leben von ganz konkreten Geld- und Zukunftssorgen bestimmt ist. Da werden musische oder künstlerische Interessen schnell als überflüssiger Luxus empfunden. Die Auflösung gewohnter Lebensmuster macht Angst. Den immer weiter wachsenden Konflikt zu Hause steht Paul nur mit Unterstützung seiner Mutter (Julie Walters) durch.
Von klein auf sieht sich der etwas pummelige Junge freilich Anfeindungen seiner Mitschüler ausgesetzt. Schüchtern versteckt er seine Leidenschaft. „Ein endloses Drama voller Gesang und Gewalt, wie eine Oper, die Oper meines Lebens“, erinnert er sich in einer ersten Einstellung im Film. Trotzdem bricht Paul nach Venedig auf, um dort an einer Opernschule ausgebildet zu werden. Doch beim Vorsingen sagt ihm sein absolutes Vorbild, der berühmte Tenor Luciano Pavarotti, dass ihm das nötige Selbstbewusstsein für einen großen Sänger fehle. Gebrochen kehrt Paul nach Bristol zurück und will seinen Traum gänzlich aufgeben. Doch seine Freundin Julie-Ann (Alexandra Roach) und sein bester Kumpel Braddon (Mackenzie Crook) überzeugen ihn davon, es noch einmal zu probieren
Obwohl Regisseur David Frankel seine Geschichte auf geradlinige Art, ohne größere Rückblenden, erzählt taucht der 54jährige New Yorker den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle. Dabei wirkt sein bewegendes Biopic streckenweise wie ein spätes Produkt des New British Cinema und bietet Schlaglichter auf den Alltag einer Arbeiterfamilie aus Bristol. Das ehrliche Selbstfindungsdrama erinnert nicht zuletzt an das feinfühlige Feel-Good-Movie „Billy Elliott – I will dance“. Seine einprägsame Milieustudie samt stimmungsvoller Liebesgeschichte würzt Frankel zudem mit trockenem britischem Humor. Als Sympathieträger und Identifikationsfigur steht der jugendliche Held, beherzt gespielt von James Corden, der sich bei seinem Kampf um Anerkennung und Selbstverwirklichung aus seinem sozialen Umfeld löst.
Auf visueller Ebene verleiht Kameramann Florian Ballhaus diesem universellen Thema symbolhafte Bildmotive. Ohne romantische Schwärmerei transportieren sie eindrucksvoll die Sehnsucht aus der eigenen begrenzten Welt auszusteigen, der düsteren industriellen Atmosphäre der Fabrikarbeiterwelt zu entfliehen. Nicht umsonst gelingt es dem Sohn des legendären Bildmagiers Michael Ballhaus den kühlen, puristischen Look aus Technik und Industrie einer typisch englischen Arbeitersiedlung genauso gut einzufangen wie Impressionen der schwankenden Schönheit Venedigs. Und selbst das Stilmittel, Markenzeichen seines Vaters, eine 360 Grad Kamerafahrt, die einen vollständigen Kreis um die Hauptfiguren beschreibt, fehlt nicht.
Luitgard Koch