Oskar Fischinger – Musik für die Augen

Von Hessen nach Hollywood: Genau 1900 geboren, wurde Oskar Fischinger in den 20er Jahren zu einem Pionier des Absoluten Film, einer experimentellen Herangehensweise, bei der direkt auf und mit dem Filmmaterial gearbeitet und quasi Töne visualisiert wurden. Harald Pulch und Ralf Ott würdigen den Künstler in ihrem Dokumentarfilm „Oskar Fichinger – Musik für die Augen“, einer Art autorisierten Biographie.

Webseite: https://jip-film.de/oskar-fischinger-musik-fuer-die-augen/

Deutschland 2021
Regie: Harald Pulch & Ralf Ott
Dokumentarfilm

Länge: 90 Minuten
Verleih: jip Film
Kinostart: 21. September 2023

FILMKRITIK:

Vor über 30 Jahren lernte Harald Pulch bei der Arbeit am Dokumentarfilm „Film ist Rhythmus – Werbefilm und Avantgarde“ auch Elfriede Fischinger kennen, die damals schon über 80jährige Witwe von Oskar Fischinger, einem der wichtigsten Vertreter der deutschen Avantgarde der 20er Jahre. 1993 verbrachte Pulch einige Tage im Haus von Elfriede Fischinger in Amerika und führte das lange Gespräch über Leben und Werk, das nun, viele Jahre später, Basis für den Film „Oskar Fischinger – Musik für die Augen“ dient.

Warum es so lange dauerte, aus dem Gespräch mit der Ende der 90er Jahre verstorbenen Elfriede Fischinger einen Film zu machen bleibt offen. In den vergangenen Jahren arbeitete Harald Pulch als Filmdozent, Ralf Ott war Student bei ihn, irgendwann muss das Gespräch auf das Material gekommen sein, das dalag und der Dinge harrte.

Ein Jubiläum ist nun nicht Anlass für die Würdigung eines Film-Pioniers, Fischinger starb mit nur 66 Jahren im Januar 1967 in Los Angeles, nachdem er die letzten Jahre seines Lebens nicht mehr dem Film, sondern der Malerei gewidmet hat. Den Anfang nahm seine Karriere in der hessischen Kleinstadt Gelnhausen, als deren berühmtester Sohn er bezeichnet werden könnte.

In den 20er Jahren wandte Fischinger sich zunächst in München, später in Berlin, dem abstrakten Film zu, inspiriert unter anderem vom legendären Walter Ruttmann, der in seinem Klassiker „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ oft abstrakte Bilderfolgen zeigte, die sich scheinbar im Rhythmus der Musik der Großstadt bewegten. Fischinger ging jedoch noch weiter, bearbeitete direkt das Filmmaterial und schuf abstrakte Formen und Kreise, Striche und Quadrate, Blöcke und Linien, die er zur meist klassischen Musik quasi tanzen lies. Eben die Musik für die Augen, wie der Untertitel der Hommage an einen einflussreichen Filmkünstler treffend lautet.

Besonders in der späten Stummfilmphase erlebte diese Form des Kinos, die oft als Absoluter Film bezeichnet wurde, einige Popularität. Neben Fischinger waren es zum Beispiel Künstler wie Hans Richter oder László Moholy-Nagy, die Formen zum Tanzen brachten und damit auch die Kurzfilme von Walt Disney beeinflussten, die berühmten Silly Symphonies. Mit Disney sollte Fischinger für dessen „Fantasia“ zusammenarbeiten, doch die Arbeit endete im Streit, zu experimentell imaginierte Fischinger seinen Beitrag, während Disney das figurative bevorzugte.

Durch dieses reiche Arbeitsleben, das durch die Flucht vor den Nazis einen Bruch erlitt, führt Fischingers Witwe Elfriede, die mit viel Verve und Lust am Fabulieren erzählt. Andere Stimmen kommen nicht zu Wort, was Harald Pulchs und Ralf Otts Film ein wenig den Anschein einer autorisierter Biographie verleiht, vor allem aber den einer Hommage. So oder so trägt „Oskar Fischinger – Musik für die Augen“ zahlreiche Ausschnitte aus den Kurz- und Werbefilmen Fischingers zusammen, zeigt auch Bilder aus Fritz Langs „Frau im Mond“, ein ambitioniertes Werk, bei dem Fischinger an der Tricktechnik mitwirkte. Eine sehenswerte Einführung in Leben und Werk eines Filmpioniers und vor allem Visionärs.

 

Michael Meyns