Oslo Stories: Sehnsucht

Als erster Teil seiner Trilogie mit in der norwegischen Haupstadt Oslo angesiedelt Filmen geplant, kommt „Oslo Stories: Sehnsucht“ in Deutschland zum Abschluss des ambitionierten Projektes in die Kinos. Im Original ganz einfach „Sex“ betitelt, kreisen die Gespräche der Figuren einmal mehr um Beziehungen, Geschlechterrollen und ja, auch die Sehnsucht nach einem erfüllten (Liebes)-leben.

 

Über den Film

Originaltitel

Sex

Deutscher Titel

Oslo Stories: Sehnsucht

Produktionsland

NOR

Filmdauer

118 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Haugerud, Dag-Johan

Verleih

Alamode Filmdistribution oHG

Starttermin

22.05.2025

 

Wenn Männer unter sich sind, dann reden sie am liebsten über Sex heißt es gerne, insofern entsprechen die beiden namenlosen Männer zumindest oberflächlich betrachtet ganz dem Klischee. Doch was sich die beiden Freunde, die auch Kollegen in ihrem Job als Schornsteinfeger sind, sich erzählen, entspricht so gar nicht der Vorstellung von heterosexueller Sexualität.

Minutenlang bleibt die Kamera zunächst auf dem Abteilungsleiter (Thorbjorn Harr), der seinem Kollegen (Jan Gunnar Roise) von einem wiederkehrenden Traum erzählt, in der ihm jemand – der entweder David Bowie oder Gott zu sein scheint – einen besonders verführerischen Blick zuwirft, durch den er sich erstaunlich feminin führt.

Nach einer Weile schwenkt die Kamera zum Kollegen, der nun seinerseits erzählt, nicht von einem Traum, sondern von einer realen Begegnung, von einem sexuellen Abenteuer. Allerdings nicht mit einer Frau, wie das Klischee vermuten ließe, sondern mit einem Mann. Er sei keineswegs schwul, beeilt er sich zu versichern, aber der Moment war so speziell, dass er sich auf dieses Abenteuer eingelassen habe.

Etwas irritiert von dieser Offenheit, diesem Geständnis, zeigt sich der Vorgesetzte, zusätzlicher Anlass, seine eigene Sexualität, sein Begehren, sein bisheriges Leben in Frage zu stellen. Zumal er glaubt, dass sich durch seine Träume seine Stimme verändert habe, was seine Frau (Birgitte Larsen) allerdings verneint. Sein Sohn (Theo Dahl) wiederum ist zwar erst 13, denkt aber schon intensiv über seine Lebensperspektiven nach und sorgt sich vor allem um die Rente.

Der Kollege hat derweil seiner Frau (Siri Forberg) ganz selbstverständlich von seinem sexuellen Abenteuer berichtet, denn als Betrug versteht er den Sex nicht. So ist es auch weniger der Akt selbst, der seine Frau beunruhigt, sondern die Frage, warum ihr Mann ausgerechnet mit einem anderen Mann ins Bett gegangen ist und nicht etwa mit einer anderen Frau.

Ähnlich wie in den beiden anderen Filme der „Oslo Trilogie“ zeigt sich auch in „Sehnsucht“ deutlich, dass Dag Johan Haugerud ein Literat ist, der in Worten denkt und keine Angst vor auffällig konstruierten Figurenkonstellationen hat. Mit größter Selbstverständlichkeit zeigt er seine zwei Kleinfamilien, die auf ihre Weisen die Norm repräsentieren – und unterläuft sie postwendend.

Betonter als in den beiden anderen Filmen steht diesmal auch Oslo im Mittelpunkt, allerdings nicht die prestigeträchtige Architektur im Herzen der Stadt, das markante Gebäude der Oper etwa und das Munch-Museum, sondern die Außenbezirke, mit ihren adretten, modernen, aber auch ein bisschen langweiligen Appartement-Blocks. Aus dem Blick von oben sieht man die Gebäude, so wie die beiden Schornsteinfeger die Stadt während der Arbeit betrachten, ein endloses Häusermeer, in dem jedoch nur scheinbar auch einheitliche Familien leben. Welche Vielfalt an Konstellationen, an Wünschen und Begehren es gibt, darum geht es auch in „Oslo Stories: Sehnsucht“, einen von drei Teilen einer ambitionierten Trilogie von Filmen, die nur lose nebeneinanderstehen. Nicht durch Figuren sind die Filme verbunden, auch nicht thematisch durch Konzepte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, der Wahlspruch der Französischen Republik, wie einst bei Krzysztof Kieślowskis Farben-Trilogie, sondern in viel loserer, freierer Form. Spielarten des Zwischenmenschlichen verhandelt Dag Johan Haugerud in seiner bemerkenswerten Trilogie, die es wert ist, am Stück oder zumindest an einem Wochenende gesehen zu werden.

 

Michael Meyns

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