Otto ist ein Nashorn

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Liebevoller Kinder-Animationsfilm über die Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Nashorn nach dem gleichnamigen Kinderbuch-Klassikers von Ole Lund Kirkegaard. Ein unaufgeregtes Kinovergnügen für die Jüngsten.

Webseite: www.ottoisteinnashorn.de

Deutschland/2013
Regie: Kenneth Kraig
Drehbuch: Rune Schjøtt
Länge: 76 Minuten
Verleih: Kinostar
Kinostart: 26. Juni 2014

FILMKRITIK:

Topper ist ein kleines bisschen anders als andere Kinder und das nicht erst seit er behauptet, ein Nashorn zu besitzen. Was ihn von seinen Klassenkameraden unterscheidet ist die traurige Tatsache, dass Topper seinen Vater schon sehr lange nicht mehr gesehen hat. Während die anderen Kinder von ihren großen Ferienplänen mit den Eltern erzählen, kann der kleine Topper nur einen Film über Afrika zeigen, wo sein Vater schon ganze siebenmal vorbeigesegelt ist. Aber diese Geschichte stößt auf ebenso taube Ohren wie der im Laufe des Film zigfach wiederholte Satz „Otto ist ein Nashorn“.

Manchmal muss man eben einfach an das Unmögliche glauben, so lautet die Moral dieser kleinen Geschichte von Ole Lund Kirkegaard. Manchmal muss man einfach daran glauben, dass der verschollene Vater ein Seemann ist (und schon bei Pipi Langstrumpf hat das ja bestens funktioniert). Und weil Topper gut darin ist, auf das Unwahrscheinliche zu vertrauen, wundert es ihn auch wenig, als seine Nashornzeichnung plötzlich zum Leben erwacht und leibhaftig im Wohnzimmer steht. Doch was nun? Otto, das Nashorn, frisst die Möbel auf und droht den Boden einstürzen zu lassen. Die Nachbarn zetern und rufen die Polizei, doch Topper und sein bester Freund Viggo nehmen es mit allen auf!

Die animierte Welt von „Otto ist ein Nashorn“ besitzt Kinderbuchcharme. Realismus ist in einer Geschichte über lebendige Zeichnungen ohnehin fehl am Platz und so ist hier alles ein wenig verdreht. Die Proportionen der Menschen sind ebenso verschoben wie das Straßenbild von Toppers Heimatstadt. Insbesondere hinsichtlich der Figuren gleitet diese Realitätsverzerrung aber in den Bereich der Karikatur ab und wirkt unpassend erwachsen. Die gigantös-übergewichtige und über die Maßen griesgrämige Bäckersfrau mag witzig sein, doch viel hübscher ist Topper mit seiner großen langen Nase und den schiefen Zähnen im Grunde auch nicht anzusehen. Der „Mut zur Hässlichkeit“ ist zwar ein erfrischendes Gegenwicht zu Disneys Welt der Modepüppchen, raubt dem visuellen Konzept jedoch auch einen Teil seiner unbeschwerten Naivität.

Denn „Otto ist ein Nashorn“ ist ein Kinderfilm durch und durch. Die Handlung ist simpel und einfach zu verstehen. Auf häufige Ortswechsel wird ebenso verzichtet wie auf narrative Schlenker. Ein Großteil der Geschichte spielt sich im Laufe eines Tages in eben jenem Mietshaus ab, in dem sowohl Topper als auch Viggo mit ihren Familien leben. Regisseur Kenneth Kraig ist es bei all dieser Einfachheit jedoch gelungen, auch eine Prise Erwachsenenhumor einfließen zu lassen, der sich in kleinen humoristischen Spitzen gegen das Kleinbürgertum ausdrückt. Für das Kinderpublikum gibt es dafür Slapstickgags und viele herrlich blöde Erwachsene, über die sich prima lachen lässt.

Der einzige Wermutstropfen bleibt die starke Marginalisierung weiblicher Figuren. Alle zentralen Charaktere sind männlich. Toppers Mutter wie auch seine Angebetete fungieren allenfalls als Plotmotoren am Rand des Geschehens. Die übermäßige Zelebration der Vaterfigur nimmt fast ironische Züge an. Jedwedes Wissen wird mit „Mein Vater sagt“ belegt und aus der Abwesenheit von Toppers Papa folgt die vermeintlich logische Konsequenz, dass er noch niemals für etwas gescholten und bestraft wurde, als befände sich diese Form elterlicher Reglementierung außerhalb des mütterlichen (=weiblichen) Kompetenzbereichs. Wer sich daran nicht stört, wird in „Otto ist Nashorn“ jedoch ein angenehm unaufgeregtes Kinovergnügen für die Jüngsten finden.
 
Sophie Charlotte Rieger