Our idiot brother

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Ned ist vermutlich der freundlichste und harmloseste Mensch auf der ganzen Welt. Jeder vertraut ihm, jeder mag ihn. Ausgereichnet seine eigenen Schwestern sind aber davon überzeugt, dass ihr liebenswürdiger Bruder sie ins Unglück stürzt, denn eine nach der anderen muss erfahren, wie Ned in kürzester Zeit ihr Leben auf den Kopf stellt. Tatsächlich ist er einfach nur ehrlich zu seinen Mitmenschen und damit sehr untypisch für New York, wo man für gewöhnlich die Fassade häuslicher und beruflicher Harmonie aufrechterhält - koste es, was es wolle.
Auf diese intelligente und vergnügliche Geschichte in bester Filmkunsttradition trifft die Bezeichnung „Großstadtkomödie“ am ehesten zu. Hier wird die urbane Schickimicki-Gesellschaft in witzigen Dialogen und herrlich haarsträubenden Wendungen ad absurdum geführt. Mit schöner Situationskomik bringt das humorvolle Familienabenteuer gute Laune ins Kino und, wenn man möchte, zusätzlich zum Vergnügen auch ein bisschen Nachdenklichkeit über Selbstdarstellung und familiäre Kommunikation in modernen Zeiten. Ein Film für alle, die anspruchsvolle Unterhaltung lieben!

Webseite: wwww.ouridiotbrother.com

Originaltitel: Our Idiot Brother
USA 2011
Regie: Jesse Peretz
Drehbuch: Evgenia Peretz, David Schisgall
Darsteller: Paul Rudd, Elizabeth Banks, Zooey Deschanel, Emily Mortimer, Steve Coogan, Hugh Dancy, Kathryn Hahn
90 Minuten
Verleih: Senator
Kinostart: 26. April 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ned ist ein liebenswerter Typ, offen und ehrlich. Seine Hilfsbereitschaft bringt ihn sogar ins Gefängnis, denn er hat einem uniformierten Cop Haschisch verkauft. Doch Ned ist keineswegs dumm, höchstens ein bisschen naiv, vor allem aber kann und will er sich nicht verstellen. Als er aus dem Knast entlassen wird – selbstverständlich wurde er wegen guter Führung früher entlassen – muss er feststellen, dass seine Freundin Janet inzwischen jemanden gefunden hat, der auf ihrem Biobauernhof in jeder Beziehung Neds Platz einnimmt. Nicht einmal seinen geliebten Hund darf Ned behalten, so dass er nun, heimatlos geworden, in den Schoß der Familie zurückstrebt und nacheinander bei seinen Schwestern in New York unterkommt. Auf den ersten Blick haben die drei kaum etwas mit Ned gemeinsam: Liz geht in ihrer Mutterrolle auf, die arrogante Miranda brilliert als Redakteurin, und die Künstlerin Natalie pflegt ihre Beziehung mit der patenten Anwältin Cindy. Mit seiner Unbekümmertheit wirbelt der nette Ned alle und alles durcheinander. Er trägt sein Herz auf der Zunge, und irgendwie schafft er es, natürlich unbeabsichtigt, mit allem, was er sagt und tut, die größtmögliche Katastrophe herbeizuführen, und zwar so lange, bis alle vor den Trümmern ihres Lebens stehen. Dabei hat Ned immer nur das beste gewollt und nichts anderes getan, als die Wahrheit zu sagen. Erst am Ende wird sich herausstellen, dass Ned Recht behält: Das Gute bzw. der Gute siegt. Wie im Märchen.

New York ist überall, und nicht nur in der High Society geht man mit Taktik und Berechnung vor, um sich so gut wie möglich darzustellen. Der sympathische Hippie Ned passt einfach nicht in diese Gesellschaft. Er ist weder cool noch hip, er steht nicht auf Äußerlichkeiten und Heuchelei. Mit seinem sonnigen Gemüt erobert er reihenweise die Herzen – kein Wunder, denn Neds einziger Ehrgeiz ist es offenbar, anderen Menschen Aufmerksamkeit und Freude zu schenken. Doch Undank ist der Welten Lohn: Seine frustrierten Schwestern halten ihn für einen Volltrottel. Paul Rudd spielt den wackeren Ned als unschuldige Frohnatur mit Rauschebart und schelmischem Grinsen, ein charmanter Bengel, der nicht vom dekadenten Stadtleben verdorben wurde. Dabei gelingt es Paul Rudd, den Ned nicht etwa als kindlich doofe Unschuld, sondern als durchaus reifen Menschen darzustellen, der ein paar Jahrzehnte (oder Jahrhunderte!) zu spät geboren wurde. Tatsächlich ist Ned einfach Mensch geblieben, der einzig Normale in einer Gesellschaft von hektischen Zivilisationsopfern. Ohne Ehrgeiz und Kalkül zeigt er den Unglücklichen und Frustrierten, wo’s langgeht und worauf es wirklich ankommt. Paul Rudd erweist sich als gewiefter Komiker, der seiner Figur treu bleibt, sie ernst nimmt und niemals in die Klamotte abgleitet. Ihm ebenbürtig sind seine Partnerinnen. Die verspannte Miranda spielt Elizabeth Banks. Mit erhobener Nase schreitet sie perfekt geschminkt auf Highheels durchs Leben, jeder Zoll die ehrgeizige Karrieristin, die doch sehr schnell in ihren Grundfesten erschüttert wird. Emily Mortimer vereint als Liz mütterlichen Kontrollzwang mit der anrührenden Hilflosigkeit einer unglücklichen Ehefrau, ein Hauch von Muttermilch scheint sie zu umgeben. Zooey Dischanel spielt unprätentiös und liebenswert die sexuell leicht zu verwirrende Künstlernatur Natalie.

Das Drehbuch von Evgenia Peretz und David Schisgall verschont nichts und niemanden, weder die dekadenten Großstadtneurotiker noch die biologisch dynamischen Naturkinder. Die klug erdachten Dialoge präsentieren sich schlagfertig und gut getimt. Vor allem sind sie gelegentlich erfreulich boshaft, zum Beispiel in Richtung auf das moderne, großstädtische Zusammenleben und Zusammenlabern. Dank der sehr guten Schauspieler und der sensiblen Regie von Jesse Peretz hält der Film stets die Balance und rutscht nicht ab in dümmliche Haudrauf-Komik. Die Musikauswahl passt zum allgemeinen Stimmungsbild – klassischer Pop mit etwas Country-Sound.

Und noch etwas Schönes: Am Ende gibt es endlich mal wieder Outtakes – das sind diese missglückten und oft witzigen Aufnahmen, die im fertigen Film nicht verwendet werden konnten. Also unbedingt die Schlusstitel abwarten!

Gaby Sikorski

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