Parallax Sounds Chicago

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Während die Grunge-Szene aus Seattle in den Neunziger-Jahren aus dem Underground aufstieg und die Rockmusik der Zeit erneuerte, kam aus Chicago ein anderer Sound. Bands wie Tortoise oder Big Black verweigerten sich jeder Kommerzialisierung ihrer Musik, sie waren schlicht nicht daran interessiert, als Musiker reich und berühmt zu werden. Der Filmemacher Augusto Contento versucht in seiner experimentellen Doku, der Rolle auf die Spur zu kommen, die die urbane Landschaft Chicagos bei der Entstehung dieser Musik gespielt hat.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Frankreich/Deutschland/USA 2012
Buch und Regie: Augusto Contento
Soundtrack: Ken Vandermark, David Grubbs
Produzenten: Augusto Contento, Giancarlo Grande, Michael P. Aust
Länge: 96 Minuten
Verleih: Real Fiction Filmverleih
Kinostart: 30. Januar 2014

PRESSESTIMMEN:

„In seinem Dokumentarfilm über die Musikszene von Chicago, die in den neuziger Jahren "Postrock" erfand, lässt Augusto Contento wichtige Figuren wie David Grubbs oder Steve Albini viel mit der Bahn durch die Stadt fahren: Das ergibt gute Ausblicke, dazu starke Musik, und einwandfreie künstlerische Positionen.“
Tip Berlin

"Mit einer üblichen Dokumentation, die Informationen und Beispielmaterial aufbereitet, hat das Ergebnis wenig zu tun. Es ist vielmehr eine filmische Meditation, die mit präzisem fotografischen Blick Motive der Architektur und der Bevölkerung der winterlichen Metropole einfängt, Impressionen kommen und gehen lässt, untermalt von Instrumentalklängen zwischen Rock, Jazz und Pop."
Kölner Stadt-Anzeiger

„Augusto Contentos dokumentarisches Porträt der Musikszene Chicagos, wo in den Neunzigerjahren Künstler aus allen Ecken der Welt zusammenfinden, um den Post-Rock, inspiriert von Jazz, Rock, Filmmusik und Pop, zu kreieren. Steve Albini, Produzent von Nirvana, und weitere Vertreter der Musikszene entführen auf unbekannte, anekdotische Pfade, umrahmt von phantastischen Stadt-Impressionen: Bilder, die sprechen..."
Süddeutsche Zeitung

FILMKRITIK:

Rostige Brücken aus Stahl. Schneesturm. Häuser, die wie Nadeln in den Himmel ragen. Arbeiter im Schlachthof, im Hafen, am Hochofen. Surfer vor mit Eis bedecktem Strand. Menschen beim Grillen im Park, beim Burger essen, beim Sonnenbaden. Und dazwischen immer wieder Musiker auf der Bühne. „Parallax Sounds Chicago“ zeigt die Musik einer Stadt durch die Stadt selbst. Die schnurgerade gezogenen Straßen, die extremen Witterungsverhältnisse, die grandiose und zugleich abweisende Architektur haben die Musik stark beeinflusst, die in Chicago gemacht wurde. Die Musiker, die hier in den Neunzigern ein Genre schufen, das Musikjournalisten als „Postrock“ oder auch „Noiserock“ bezeichneten, wurden keine Celebrities. Bands wie Tortoise oder The Jesus Lizard sind Eingeweihten bekannt, aber kommerziell erfolgreich waren sie nie. Aber sie schufen eine Szene, die bis heute von ihrer ungemeinen Lebendigkeit und Offenheit lebt. In Chicagos Musik mischen sich Punk und Rock, Jazz und Rap, Techno und Krautrock. Genre-Grenzen sind unbekannt. Musiker wie Steve Albini oder Ken Vandermark berichten im Film von ihrem Blick auf diese Musikszene und davon, wie die Stadt Chicago sie formte.

Der Regisseur Augusto Contento ist Italiener, lebt in Paris und macht seit Jahren Filme über Metropolen und darüber, wie urbane Räume mit den sie bewohnenden Menschen interagieren. Von „Parallax Sounds Chicago“ darf man also keine konventionelle Musik-Doku erwarten, die eine Zeit, einen Ort oder eine Szene feiert. Contento arbeitet vielmehr assoziativ, er beobachtet die Stadt, ihre Gebäude, Straßen und Menschen und lässt aus den vielen Aufnahmen einen Bilderraum entstehen, der zum Stadtraum korreliert. Dazu gesellen sich Interviews, die Contento mit wichtigen Protagonisten der Musikszene geführt hat. Auch sie werden in den Stadtraum eingebunden, finden an Orten statt, die die Musiker selbst vorschlugen: Oft in Booten, die durch die Kanäle Chicagos fahren, am Strand, in einem Fast-Food-Joint.

Diese Arbeitsweise fordert vom Zuschauer Geduld. Und sie setzt auch Wissen voraus. Wer „Parallax Sounds“ anschaut, wird die Musik Chicagos sehr wahrscheinlich schon kennen. Deshalb verzichtet der Filmemacher vielleicht auch darauf, die Musiker per Namenseinblendung kenntlich zu machen. Durchaus läuft der Film streckenweise Gefahr, sich zu wiederholen und auch zu langweilen. Andererseits spiegelt die Form auf brillante Weise die Musik Chicagos, die selbst durch Repetition, Assoziation, Offenheit und Experimentierlust geprägt ist. Gleichzeitig vermisst die Kamera eine Stadt, die durch ihre streng geometrische Anlage europäischen Augen so fremd ist und stellt die Frage, inwiefern ein Ort die Kunst prägt, die in ihm entsteht. Auf diese Weise bekommt der Film eine faszinierende Vielschichtigkeit, auf die man sich allerdings einlassen muss.

Oliver Kaever