Perfect Sense

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Allegorie, Dystopie, Weltfilm, Liebesromanze. Das und noch viel mehr steckt in David MacKenzies („Hallam Foe“) mitreißendem Independent-Drama. „Perfect Sense“ handelt vom schrittweisen Verlust unserer Sinne und dem damit verbundenen Zerfall gesellschaftlicher Strukturen. Eine unbekannte Epidemie ist der Auslöser, dass immer mehr Menschen nicht mehr schmecken, riechen, hören und schließen sehen können. Eva Green und Ewan McGregor spielen ein Liebespaar, das gegen die Umstände der Katastrophe verzweifelt ankämpft. Taschentücher nicht vergessen!

Webseite: www.perfectsense.senator.de

GB/D/SWE/DK 2011
Regie: David MacKenzie
Drehbuch: Kim Fupz Aakeson
Darsteller. Ewan McGregor, Eva Green, Ewen Bremner, Connie Nielsen, Stephen Dillane
Länge: 92 Minuten
Kinostart: 8.12.2011
Verleih: Senator

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

In „The Sixth Sense“ stellte uns Mystery-Filmer M. Night Shyamalan Menschen mit einer sehr speziellen Fähigkeit vor. Diese hatten nicht bloß fünf sondern gleich sechs Sinne, auf die sich verlassen konnten. Der Schotte David MacKenzie stellt dieses Konzept in seinem Sundance-Erfolg „Perfect Sense“ gewissermaßen auf den Kopf. Bei ihm führt der schrittweise Verlust des Schmeckens, Riechens, Hörens und schließlich Sehens zu einem Zerfall der Zivilisation, zu Anarchie, Chaos und bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Eine mysteriöse Epidemie, über deren Entstehung und Verbreitung Wissenschaftler zunächst nur rätseln können, scheint für diese dramatische, weltweit zu beobachtende Kettenreaktion verantwortlich zu sein.

Für den leidenschaftlichen Koch Michael (Ewan McGregor) bedeutet die geheimnisvolle Krankheit auch im Beruf eine Umstellung. In das Restaurant seines Chefs kommen mit der Zeit immer weniger Gäste. Warum soll man auch viel Geld für ein Essen ausgeben, das man ohnehin nicht mehr schmecken oder riechen kann? Michaels Privatleben bestimmen indes kurze, flüchtige Affären und One-Night-Stands. Daran ändert sich erst etwas, als er Susan (Eva Green) kennenlernt, eine selbstbewusste Frau und engagierte Wissenschaftlerin. Beide schlafen miteinander, bevor sie sich ineinander verlieben. Doch diese Liebe scheint recht bald bedroht. Das ganz normale Leben, das längst aufgehört hat zu existieren, wird von der sich rasant ausbreitenden Epidemie förmlich aufgefressen. Das Hier und Jetzt gleicht einem Ausnahmezustand für Michael, Susan und alle anderen.

Nur selten hat ein Film Form und Inhalt zu einer derart überzeugenden Einheit miteinander verschmolzen. David MacKenzie fängt den immer aggressiveren Verlust unserer Sinneswahrnehmungen in poetischen, zwischen Verfall und purer Schönheit changierenden Bildern ein. In „Perfect Sense“ kann man das Essen in Michaels Restaurant förmlich schmecken, die Fische auf dem Markt beinahe riechen. Statt sanfter Steadycam-Fahrten montierte Kameramann Giles Nuttgens in mehreren Szenen das Objektiv einfach auf Michaels Fahrrad. Dann sieht es so aus, als würde die Leinwand für wenige Sekunden vibrieren und aus ihrem Rahmen herausbrechen. Auch über die Tonspur ermöglicht der Film ein ebenso intensives Erleben seines bisweilen recht verstörenden Szenarios, das jedoch zum Ende hin auch einen gewissen Trost und einen zumindest angedeuteten Hoffnungsschimmer bereithält. Das Glockenläuten einer Kirche oder das Geräusch eines Strandspaziergangs lassen noch lange nach Filmende die dazu passenden Bilder in unseren Köpfen entstehen.

Immer wenn MacKenzie seinen Figuren – und damit auch uns – eine weitere Sinneswelt entzieht, wechselt „Perfect Sense“ auf eine neue, intensivere Ebene. In den letzten Minuten ähnelt der Film mehr einem Taumeln, einem Kontrollverlust, der zugleich bestätigt, dass der Mensch ein Meister der Anpassung ist. „We hope for the best and prepare for the worst“ kommentiert Eva Greens Susan an einer Stelle das, was sich vor ihren Augen ereignet. Dabei spart MacKenzie das Dunkle und Abseitige einer solchen als Allegorie zu verstehenden Zukunftsvision keineswegs aus. Wenn alle Ordnung zerfällt, mag die Decke der Zivilisation nur allzu schnell reißen. Und doch ist „Perfect Sense“ ein Film, der Mut macht, Hoffnung schenkt und ganz selbstbewusst zu seinen sentimentalen Anflügen steht. Es ist eine wunderbare Liebesgeschichte wider den Zeitgeist, wider Gleichmut und Zynismus und damit auch eine späte Bereicherung für das Kinojahr 2011.

Marcus Wessel
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