Pink

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Mit „Pink“ beweist Autorenfilmer Rudolf Thome erneut, dass er immer noch zu den pointiertesten Beobachtern menschlicher Beziehungen zählt. Der gebürtige Hesse, der einst als „deutscher Eric Rohmer“ gehandelt wurde, inszeniert sein eigenwilliges Portrait der jungen Punkpoetin stilsicher. Und wie in allen seinen Filmen geht es dabei um Liebe und die Suche nach dem Glück.

Webseite: www.moana.de

Deutschland 2009
Regie: Rudolf Thome
Drehbuch: Rudolf Thome
Darsteller: Hannah Herzsprung, Guntram Brattia, Florian Panzner, Cornelius Schwalm, Radhe Schiff, Christina Hecke, Christine Knispel
Länge: 82 Minuten
Verleih: Prometheus Filmverleih
Kinostart: 20.8.2009
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Wer sich nicht auf diese Art des Erzählens, der Löcher in der Erzählung und des Humors, der sich darin verbirgt, einlassen kann,“ warnt Ausnahmeregisseur Rudolf Thome in seinem Online-Tagebuch, „hat keine Chance, den Film zu verstehen und zu lieben.“ Tatsächlich läuft sein neuer Film „Pink“ auf keine Pointe, keine eindeutige These oder keine klare Erkenntnis hinaus. Trotz scheinbarem Happy-End wirkt sein Kinokleinod offen und versteckt mythisch. Ein Rätsel, das sich nicht auf den ersten Blick erschließt, bleibt - wie im Leben. Und wie in guten französischen Filmen. Denn wer hierzulande nach der inszenatorischen Leichtigkeit der Nouvelle Vague sucht, landet fast unweigerlich bei ihm.

Die Figur der Kindfrau „Pink“ (Hannah Herzsprung) hat es dem Romantiker angetan. Seine Protagonistin agiert mit der Naivität eines kleinen Mädchens, das gleichzeitig total souverän handelt. Thomes eigenwilliges Porträt zeigt eine junge Frau auf der Suche nach sich selbst, auf der Suche nach Liebe, Zärtlichkeit, ständiger Zuwendung und Nähe. In ihrer immer gleichen schwarzen Perücke steht die umjubelte Punkpoetin mit ihren sehr persönlichen Liebesgedichten im Rampenlicht. Nach außen hin tritt sie bei ihren Lesungen eher nassforsch auf, manchmal sogar abweisend. Trotzdem begehrt und umgibt die erfolgreiche Dichterin ein Dauertrio von glühenden Verehrern, denen sie abwechselnd ihre Gunst schenkt.

Fast zwanghaft sucht sie die Flucht in eine Ehe. Sorgfältig berechnet Pink deshalb die vorteilhaften Eigenschaften ihrer drei sehr unterschiedlichen Liebhaber. Carlo (Guntram Brattia), der smarte Geschäftsmann, verbucht dabei die meisten Punkte und wird geheiratet. Doch die Ehe endet schnell. Grund: Carlo ist ständig unterwegs, Pink zu viel allein. Sie verlässt ihn. Der Verzweifelte erhängt sich nachts in seinem Büro.

Eine kurzes Intermezzo mit einer Frau zeigt Pink, dass sie keine Lesbe ist. Aber auch Ehemann Nummer zwei enttäuscht die rastlos Suchende. Der untreue Verleger Georg (Florian Panzner), der nun an der Reihe ist, entpuppt sich als hemmungsloser Gigolo. Bei einem Bordellbesuch infiziert er sich. Sein Geschenk für Pink nach dieser US-Geschäftsreise: ein Tripper. Pink flippt aus. Mit vorgehaltener Pistole treibt sie den Schönling aus der gemeinsamen Wohnung.

Bleibt nur noch Balthasar (Cornelius Schwalm), der zurückgezogen auf dem Land lebt. Er scheint nach der Scheidung der sichere Hafen zu sein. Immer für sie da, Zärtlichkeit und Nähe bietend. Ein wunderschönes Bauernhaus in traumhafter Natur. Dann ein Kind. Aber findet Pink im scheinbar vollkommenen Glück dieser bilderbuchhaften Kleinfamilien-Idylle zu sich? Die Antwort bleibt offen. Doch inzwischen weiß sie aus Erfahrung, dass selbst dieses paradiesische Glück endlich sein kann.

Thomes übersichtlich rhythmisch linear inszenierte Geschichte lässt Raum für herrlich skurrile Dialoge ohne jeglichen Zynismus. Gekonnt balanciert sein modernes Märchen für Erwachsene immer wieder zwischen Pathos und lässigen Understatement. Charakteristisch für sein Werk, das nicht selten wie ein Versuchsanordnung funktioniert: Seine unsentimentale Emotionalität. Eine Tonlage, die der 69jährige nach wie vor perfekt trifft. Längst sind Frauen bei ihm keine Musen mehr. Sie nehmen immer wieder selbst die schöpferische Männerrolle ein.

Gelungen verkörpert Shootingstar Hannah Herzsprung Pink in einer wunderbaren Mischung aus impulsiver Kindfrau und unergründlicher Femme Fatale. Die 28jährige haucht der bunten Comic-Figur Pink erst richtig Leben ein. Gilt die gebürtige Hamburgerin doch spätestens seit ihrem Auftritt in Chris Kraus’ „Vier Minuten“ als eines der Talente des deutschen Kinos schlechthin. Ihre Darstellung der jungen Pianistin im Frauengefängnis wurde zu Recht mit Preisen überhäuft. Gleichzeitig bleibt ihr Spiel dieses Mal mehr zurückhaltend, sodass der Zuschauer nicht sofort in Versuchung kommt, ihre Figur tatsächlich an psychologischen Realitäten außerhalb dieses betörenden Film-Märchens zu messen.

Luitgard Koch