Pleasure

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Eine Schwedin lässt ihr kleinstädtisches Leben hinter sich. Sie geht nach L.A. mit dem Ziel, der größte Pornostar der Welt zu werden. Ein steiniger Weg, der die junge Frau an ihre körperlichen und seelischen Grenzen bringt. „Pleasure“ ist ein drastisches, provokantes Drama, das bisweilen stark dokumentarisch anmutet. Es geht um brisante Themen wie Ausbeutung, Voyeurismus und männliche Dominanz in einer mächtigen, milliardenschweren Industrie.

Website: https://www.weltkino.de/filme/pleasure

Schweden, Holland, Frankreich 2020
Regie: Ninja Thyberg
Drehbuch: Ninja Thyberg, Peter Modestij
Darsteller: Sofia Kappel, Evelyn Claire, Dana DeArmond, Mark Spiegler
Länge: 110 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 13.01.2022

FILMKRITIK:

Die 19-jährige Linnéa (Sofia Kappel) verlässt ihre schwedische Kleinstadt und zieht in die „Stadt der Engel“: in die Glitzermetropole Los Angeles. Sie will als „Bella Cherry“ der nächste Star in der Porno-Branche werden. Schnell muss Linnéa jedoch feststellen, dass der Weg dorthin beschwerlich und steinig ist. Sie erkennt, dass man als Neuling vor allem in der „Hardcore“-Szene Chancen hat – dafür muss sich Linnéa aber gnadenlos unterordnen und tun, was von ihr verlangt wird. Linnéa muss sich beim Sex fesseln oder ins Gesicht schlagen lassen. Wie weit wird sie gehen, um ihren großen Traum von einer erfolgreichen Pornokarriere zu erfüllen?

Ausbeuterisch, radikal gewinnorientiert, frei von Moral – die (Hardcore-) Pornoindustrie genießt nicht gerade den besten Ruf, allen voran die US-amerikanische. Umso beachtlicher, dass sich Regisseurin Ninja Thyberg diesem Thema mit aller Ausführlich- und Deutlichkeit widmet, und sich dennoch um Neutralität bemüht. „Pleasure“ ist keine einseitige Aburteilung dieses einträglichen Wirtschaftszweiges. Vielmehr setzt Thyberg auf eine glaubhafte, realistische Darstellung der Branchen-Mechanismen und -Charakteristika.

Dies gelingt einerseits, da „Pleasure“ mit einer ganzen Reihe an echten Pornodarstellerinnen und -darstellern besetzt ist. Zudem gingen den Dreharbeiten jahrelange intensive Recherchen durch Thyberg voraus, weshalb der Film auch eine dokumentarische Aura versprüht. Thyberg, die ein sicheres Feeling für Timing und Spannungsmomente besitzt, verurteilt außerdem ihre Protagonistin zu keinem Zeitpunkt. Für ihre beruflichen Ambitionen oder Wünsche etwa. Oder ihre bisweilen erschütternde Naivität, die jedoch immer wieder einer überraschenden Selbstsicherheit und bewussten Unanständigkeit weichen. Man merkt, wie wichtig Thyberg der Verzicht auf Vorverteilungen und Wertungen ist.

„Pleasure“ lebt darüber hinaus von der schwungvollen, frischen Energie Sofia Kappels, die in ihrem ersten Film einen beachtlichen, regelrecht unbekümmerten und ungezwungenen Auftritt hinlegt. Mit Leichtigkeit wechselt sie zwischen teils extremen emotionalen Zuständen und vermittelt das Bild einer jungen Frau, die einerseits zwar ganz genau weiß was sie will – aufgrund der frauenfeindlichen Praktiken und machtmissbrauchenden Vorgänge jedoch immer wieder an ihre Grenzen stößt. Zum Beispiel in dem Moment, in dem ihre Tauglichkeit für die „harte“ Pornoindustrie, die Hardcore-Szene, geprüft wird. Man beschimpft, ohrfeigt und bespuckt sie. Nur der – vergleichsweise harmlose – Beginn dessen, was bald noch folgt.

Geradezu zynisch mutet der Titel des Films an, denn „Vergnügen“ sieht anders aus. Schonungslos und ohne Scheu offenbart Thyberg eine auf die Befriedigung männlicher Sex-Fantasien ausgerichtete, skrupellose Industrie. „Pleasure“ thematisiert die Erniedrigung der jungen Darstellerinnen, ebenso wie brutale Sexualpraktiken, gespielte Vergewaltigungen, verbrecherische Vertragsklauseln und die mit den Verträgen oftmals einhergehende Freiheitsberaubung. Die dunkle Seite einer Branche, deren Umsatz allein in den USA über dem der großen Hollywood-Studios liegen soll.

Björn Schneider