Population Boom

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Es gibt viele Übel in der Welt, aber die Wurzel allen Übels ist die Überbevölkerung. Mit dieser Annahme startet Dokumentarfilmer Werner Boote in sein Projekt „Population Boom“, nur um sich umgehend selbst zu widerlegen. In Gesprächen mit Fachleuten aus der ganzen Welt entlarvt er auf frappierende Weise das Reizwort Überbevölkerung als Mythos, nicht jedoch ohne uns Alternativen und vor allem Hoffnung anzubieten.

Webseite: www.populationboom.at

Österreich 2013
Regie: Werner Boote
Länge: 93 Minuten
Filmverleih: mindjazz pictures
Kinostart: 27. März 2014

FILMKRITIK:

Die sogenannte Überbevölkerung gehört zu den bedrohlichen Phänomenen unserer Zeit, deren Existenz wir selbstverständlich als gegeben hinnehmen. So auch Werner Boote, als er mit den Recherchen zu seinem Dokumentarfilm „Population Boom“ beginnt. Zu seiner und unserer Überraschung jedoch stellt er im Laufe seines Films fest, dass es sich bei der Angst vor dem steten Wachstum der Menschheit vor allem um einen Mythos handelt, vielleicht gar um eine bewusst geschürte Paranoia, deren Funktion es ist, von den eigentlichen Problemen unserer Welt abzulenken.

Für seinen Film reist Boote, der nicht nur Erzähler, sondern auch Protagonist dieser Dokumentation ist, einmal um den Globus, von den USA über China bis nach Afrika. Überall sucht er das Gespräch mit Menschen, die sich intensiv mit dem Thema Überbevölkerung beschäftigen. Das sind Politiker der UN oder der chinesischen Kommission für Familienplanung, Aktivisten, Forscher und belesene Privatpersonen. Die meisten von ihnen halten die Überbevölkerung für eine Lüge. Dabei liegen die Argumente derart auf der Hand, dass wir uns als Zuschauer fragen müssen, wie wir so lange auf diesen Mythos hereinfallen konnten. „Population Boom“ macht deutlich, dass sich die Probleme unserer Welt nicht mit „zu vielen Menschen“ erklären lassen und schon gar nicht mit der vermeintlichen Bevölkerungsexplosion in den ärmsten Regionen dieser Erde. In einfachen und verständlichen Worten erklären Bootes Gesprächspartner den Unterschied zwischen Überbevölkerung und Überfüllung, die Notwendigkeit von Investitionen gegenüber der Reduktion von Bevölkerung und die katastrophalen Folgen kurzsichtig betriebener Politik, die zur Überalterung einer Gesellschaft führt.

Werner Boote ist hinsichtlich des Dokumentargenres eventuell anzulasten, dass er kaum vertrauenswürdige Vertreter der Überbevölkerungstheorie zu Wort kommen lässt. Auch seine Präsenz innerhalb des Films sowie die pastorale Erzählstimme rauben dem Gesamtkonzept ein wenig die Objektivität. „Population Boom“ will das Publikum nicht informieren, sondern überzeugen. Und das gelingt. Mit einer klaren Priorisierung des Informationsgehalts gegenüber der visuellen Gestaltung, lässt Warner Boote den Mythos Überbevölkerung vor allem durch seine Gesprächspartner erzählen und dekonstruieren. Die wiederholten Ortswechsel und die charismatischen Sprecher tragen jedoch dazu bei, dass „Population Boom“ trotz der Wort- und Informationslast niemals langweilig wird. Mit jeder Reisestation ergeben sich neue Aspekte und Perspektiven, die auf unverhoffte Weise unseren Horizont erweitern.

Doch Werner Boote will uns nicht nur beruhigen. Die Entlarvung des Mythos Überbevölkerung ist nicht das Ende, sondern der Anfang. Letztlich richtet sich der mahnende Zeigefinger auf das Publikum. Wenn wir die Probleme unserer Welt nicht mehr auf ein abstraktes „zu viel“ unserer Gattung abschieben können, müssen wir als Individuen selbst aktiv werden. Eine Aktivistin aus Bangladesch schlägt vor, statt der Anzahl von Familienmitgliedern doch lieber die ihrer Autos zu begrenzen. In Ansätzen wie diesen schimmert schließlich ein wenig Naivität und Idealismus. Aber vor allem auch eine große Portion Hoffnung.
 
Sophie Charlotte Rieger