Putin

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Biographisch, aber vor allem hoch spekulativ. Zwischen diesen Polen bewegt sich Patryk Vegas Film „Putin“, der das Leben des russischen Autokraten nachzeichnet und dabei kaum eine finstere Verschwörungstheorie auslässt. Eine filmische Abrechnung, die besonders angesichts der Verwendung der mindestens fragwürdigen Deep Fake-Technologie ethisch nicht unproblematisch erscheint.

Polen 2024
Regie & Buch: Patryk Vega
Darsteller: Slawomir Sobala, Tomasz Dedek, Justyna Karlowska, Thomas Kretschmann, Maksymilian Zielinski

Länge: 110 Minuten
Verleih: Kinostar
Kinostart: 9. Januar 2025

FILMKRITIK:

  1. Der russische Präsident Wladimir Putin siecht in einem Krankenhaus dahin, sein Reich, seine Macht rinnt ihm durch die Finger, er suhlt sich wortwörtlich in seiner eigenen Scheiße. Vor vielen Jahren begann sein Leben im noch vom Krieg verwüsteten Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg, wo der junge Putin die Gesetze der Straße kennenlernte, die er später in den Hallen der Macht einsetzte.

Wie ein Mafia-Pate agiert Putin erst als Bürgermeister Petersburgs, später als Vize von Boris Jelzin, von dem er im Jahre 2000 die Macht über die einstige Supermacht Russlands übernahm, möglicherweise, so suggeriert es zumindest dieser Film, durch die Erpressung seines Vorgängers.

Immer größer werden Putins Ambitionen, immer skrupelloser sein Handeln, während von Tschetschenien bis zur Ukraine tausende Tote seinen Weg zieren und er mit ausländischen Politikern wie Bill Clinton Katz und Maus spielt.

Man muss keine Sympathien für Wladimir Putin haben, um es in vielerlei Hinsicht problematisch zu finden, was der polnische Regisseur Patryk Vega hier macht. Vega hat sich in den letzten Jahren in seiner Heimat einen zwiespältigen Ruf erarbeitet, hat zwar erfolgreiche Filme gedreht, die Millionen Zuschauer hatten, die aber auch extrem plakativ, vulgär und voyeuristisch heiße Themen, wie Zwangsprostitution oder extremistische Gewalt verhandelten.

In diesem Sinne lässt er auch in seinem biographischen Film über Wladimir Putin nichts aus, sondern reiht Szene an Szene, die den seit einem viertel Jahrhundert amtierenden russischen Regenten in möglichst schlechtem Licht erscheinen lässt. Von Putins Anfängen als KGB-Agent in Dresden, über seine Zeit als Bürgermeister von Sankt Petersburg, wo er angeblich engste Kontakte zur lokalen Mafia pflegte, seinem Verhältnis zu Boris Jelzin, bis hin zu den aufsehenerregenden Geiselnahmen in Moskau und Beslan, die unter dem Verdacht stehen, von Putin inszeniert worden zu sein, wird nichts ausgelassen. Was davon stimmt und was nicht ist unmöglich zu sagen, die Archive Russlands sind nicht offen, russische Zeugen, die sich vorwagen würden und Putin belasten könnten, gibt es nicht, sein Leben will niemand aufs Spiel setzen.

Und dann ist da noch der Aspekt der Bildmanipulation: Mit moderner Technologie hat Vega einem Schauspieler die Visage Putins quasi aufgeklebt, mit erstaunlich realistischem Effekt. Dies ermöglicht ihm nun, Putin in allen möglichen und unmöglichen Situation zu zeigen, wobei man fast sagen muss, das sich Vega hier noch zurückhält. Die ethischen Fragen sind dennoch frappierend, denn mit ein wenig Bild- und Tonmaterial lassen sich jetzt schon (von zukünftiger Technik ganz zu schweigen) sehr überzeugende Deep Fake-Videos erzeugen, die natürlich auch missbräuchlich eingesetzt werden.

Putin, seine Politik, seine Mitstreiter und seine Politik zu entlarven wäre fraglos ein hehrer Zweck, aber ob dafür wirklich jedes Mittel recht ist, steht auf einem anderen Blatt. So bleibt Patryk Vegas reichlich plakativer, wütender, aber doch oberflächliche Film am Ende weniger inhaltlich in Erinnerung, denn als vielleicht warnendes Beispiel für die Möglichkeiten, mit denen bald Politiker und andere öffentliche Personen durch manipulierte Filme in Bedrängnis gebracht werden könnten.

 

Michael Meyns