Eine der schönsten Komödien der letzten Jahre! Nur sehr selten geschieht es, dass man im Kino sitzt und sich mit wohligem Seufzen wünscht, dieser wunderbare Film da vorne auf der Leinwand würde nie zu Ende gehen. „Quartett“ ist so ein Ausnahmefilm mit vielen magischen Momenten und mit einer Geschichte, die wie geschaffen ist für eine Komödie: Im Musiker-Seniorenstift „Beecham House“ leben alte Intrigen und Kabbeleien ebenso weiter wie die Liebe zur Musik, die sie alle verbindet. Doch mit der Ankunft von Jean Horton gerät der gewohnte Status quo ins Wanken. Die legendäre Sopranistin wirbelt das ganze Haus durcheinander. Wird es gelingen, die berüchtigte Diva Jean zur Mitarbeit bei der jährlichen Verdi-Gala zu bewegen?
Ein sehr begabter Regisseur liefert mit diesem Film sein Debüt: Dustin Hoffman. Jawohl, richtig gelesen! Mit leichter Hand hat er eine ebenso elegante wie witzige und anrührende Gesellschaftskomödie über Leidenschaft, Liebe und Musik inszeniert, die mit ein bisschen Toi-toi-toi zum ersten großen Arthouse-Erfolg des neuen Jahres avancieren könnte.
Webseite: www.dcmworld.com
Originaltitel: Quartet
Großbritannien 2012
Regie: Dustin Hoffman
Drehbuch: Ronald Harwood
Darsteller: Maggie Smith, Tom Courtenay, Michael Gambon, Billy Connolly, Pauline Collins
110 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 24. Januar 2013
PRESSESTIMMEN:
...mit so viel Charme und Herzenswärme...
Brigitte
FILMKRITIK:
Sie sind alle mehr oder weniger originell bis durchgeknallt: die alternden Stars, die ehemaligen Orchestermusiker, Operndiven, Chorsänger und Solistinnen, die im „Beecham House“ in der englischen Provinz leben. Meist gehen sie durchaus liebenswürdig miteinander um, aber zwischendurch fliegen schon mal die Fetzen. Denn auch wenn die Helden etwas in die Jahre gekommen sind, hat sich doch wenig geändert: Die Gruppen und Grüppchen, das Getuschel und die Intrigen bestimmen noch immer ihr Leben. Man plänkelt herum, bedenkt einander gern mal mit ausgesuchten Unverschämtheiten, und all das hat etwas durchaus Lustvolles. Es lässt sich nicht leugnen: Diese alten Haudegen und Rampentiere brauchen ihre kleinen Ränkespiele so notwendig wie die Luft zum Atmen und wie die Musik, der sich alle verbunden fühlen. Der jährliche Verdiabend bietet ihnen allen die beste und vielleicht letzte Gelegenheit, im Rampenlicht zu stehen und ihr ganzes Können zu zeigen. Diesmal ist der Verdiabend besonders wichtig, denn es geht um den Fortbestand von „Beecham House“. Da kommt es allen gerade recht, dass die ehemalige Star-Sopranistin Jean Horton einzieht. Sie ist zwar mindestens ebenso boshaft wie begabt, aber mit ihrer Hilfe werden die Spenden bestimmt nur so sprudeln. Doch leider singt Jean Horton nicht mehr. Und nicht nur das: Es stellt sich heraus, dass einer ihrer Ex-Ehemänner ebenfalls ein Bewohner im „Beecham House“ ist …
Das ist die Vorgabe. Und da es sich um eine klassische Gesellschaftskomödie handelt, geht es auch überhaupt nicht darum, dass hier irgendetwas Unerwartetes geschieht. Natürlich gibt es auch allerlei kleinere oder größere Überraschungen und jede Menge Komplikationen, aber ansonsten nimmt hier alles seinen geregelt vergnüglichen Verlauf: Jean Horton wird mitsingen – und nicht nur das, sondern sogar gemeinsam mit zwei alten Freunden und mit ihrem Ex-Mann. Die beiden versöhnen sich wieder, und „Beecham House“ wird selbstverständlich gerettet. Aber, meine Damen und Herren, hier ist der Weg das Ziel! Und dieser Weg ist mit so vielen herrlich komischen Situationen, spritzigen Dialogen und liebevoll inszenierten Szenarien gepflastert, dass man immer weiter zuschauen möchte, wie diese prächtigen Exemplare britischer Erziehung sich freudvoll ganz knapp neben der Spur bewegen. Und immer dann, wenn es so aussieht, als ob für einen Moment die Wehmut über die Ironie siegen könnte, dann folgt eine besonders exquisite Gemeinheit. Nur ganz selten kann es geschehen, dass sich zwischen die Lachtränen ein kleines gefühlsduseliges Schlucken mischt. Diese perfekte Mischung für einen Wohlfühlfilm erster Güte liegt natürlich nicht nur an dem trotz aller Bissigkeiten stets geschmackvollen Drehbuch, an der feinfühligen Regie Dustin Hoffmans und an der wunderbaren Musik, die wie ein warmer Sommerwind durch den Film weht, sondern vor allem an den Darstellern, die ganz offenkundig mit sehr viel Spaß zu Werke gehen. Die große Komödiantin Maggie Smith spielt Jean Horton – wer sonst könnte dieser Figur sowohl den arroganten Charme als auch den notwendigen Tiefgang verleihen? Man muss sie einfach liebgewinnen, diese alte Scharteke, die ihre gesamte Umwelt das Fürchten lehrt. Tom Courtenay spielt ihren Ex-Mann Reginald, ein kluger, ernsthafter und dennoch verunsicherter Mensch, der es im Gegensatz zu Jean gelernt hat, die Freundschaft anderer zu schätzen, und der es schafft, hinter Jeans versteinerte Fassade zu blicken. Billy Connolly ist Wilfred, der immer noch hinter allen Röcken her ist, und Pauline Collins zeigt als Cecily, dass man eine vergessliche Frau gleichzeitig sehr bewegend und sehr komisch spielen kann. Michael Gambon hat vermutlich eine der witzigsten Rollen seines Lebens, und er scheint jede Sekunde zu genießen: Er spielt Cedric, den Regisseur des Abends – eine anarchisch wilde Mischung aus Größenwahn und Schussligkeit, Groucho Marx auf Englisch.
Einige werden sich vielleicht an „Der Kuss der Tosca“ erinnern: ein wunderschöner Dokumentarfilm des viel zu früh verstorbenen Daniel Schmid, mit dem er die „Casa di Riposa“ in Mailand, ein Altersheim für alternde Musiker, unsterblich machte. Inspiriert durch diesen Film entstand Ronald Harwoods Theaterstück und nun auch sein Drehbuch. Doch aus dem Vier-Personen-Kammerspiel hat er gemeinsam mit Dustin Hoffman etwas ganz Neues erschaffen: ein sehr lebendiges und trotz der reifen Protagonisten sehr junges und spritziges Stück großartiger Filmunterhaltung. Dazu trägt auch eine geniale Schnitttechnik bei, die immer dann, wenn es langweilig werden könnte, für Bewegung sorgt.
So herzlich und elegant, so rundum charmant und witzig – diese scharfsinnige Filmkomödie über die Lust am Leben, den Wert der Freundschaft und das Älterwerden wird alle Herzen erobern. Ein Gute-Laune-Film der Extraklasse, voller Lebensfreude und Weisheit. Dustin Hoffman verneigt sich vor der Kunst – bitte den liebevollen Nachspann genießen! – und ich verneige mich vor Dustin Hoffman und seinen rüstigen Helden. Immer noch lächelnd:
Gaby Sikorski
Ein ziemlich feudales englisches Landhaus. Es ist der Rückzugsort von Musikern, Sängern oder Orchestermitgliedern, die aus Altersgründen nicht mehr tätig sind. Sie halten am Leben fest: und an der Musik.
Es ist kein „Altersheim“ im üblichen Sinne. Die Künstler kennen sich gut, mögen sich, nehmen sich auf den Arm, sind voller Selbstironie, haben ihren eigenen Bereich, sind aber auch viel zusammen.
Da ist Reggie. Er hält für junge Menschen Seminare über die klassische Musik und über die Oper ab – und lässt sich darüber belehren, was ein Rapper tut. Mit diesem Leben ist es allerdings aus, als Jean Horton auftaucht, eine berühmte Sopranistin, mit der er früher einmal verheiratet war. Die beiden haben sich viele Jahre nicht gesehen, und die ungute Scheidung von damals wirkt sich noch heute aus. Reggie ist wie gelähmt. Soll das wirklich so bleiben?
Da ist auch Wilf, ein Schwerenöter. Jung ist er nicht mehr, doch die Frauen sind vor ihm alles andere als sicher. Er ist ein sympathischer Typ, hält sich übrigens für gutaussehend. Cissy gehört ebenfalls zum engeren Kreis. Sie ist quirlig und hat eine leichte Demenz.
Jedes Jahr findet eine Gala statt, um das große Können dieser Gemeinschaft zu beweisen und um Geld für die Erhaltung der Einrichtung zu sammeln. Unter der Führung eines selbstherrlichen „Regisseurs“ wird eisern geprobt. Das Problem: Jean will, weil sie sich für nicht mehr fähig hält, bei dem „Rigoletto“-Quartett nicht mitmachen. Das gibt Komplikationen.
Doch sie wird letztlich nicht widerstehen können. Und sogar mit Reggie geht etwas.
Der Gala-Abend bringt unter großem Jubel hübsche Aufführungen der verschiedensten Art. Und natürlich erklingt zum Schluss, herrlich gesungen, auch das „Quartett“.
Dustin Hoffman, der Spitzendarsteller, ist der Regisseur dieses köstlichen Films. Profis und Laien wirken zusammen, thematisch und formal eine runde Sache. Viel dramaturgisches Geschick, persönliche Individualität, menschliche Wärme und Darstellungskunst sind zu spüren.
Doch auch das muss klar sein: Viel „Kino“ ist dabei – denn mit der problematischen Realität in den meisten Alterssitzen und Altersheimen – neudeutsch Altenheime genannt – hat das nicht das Geringste zu tun.
Maggie Smith (Jean Horton), Tom Courtenay (Reggie), Billy Connolly (Wilf), Pauline Collins (Cissy) und Michael Gambon (“Regisseur”) spielen durchgehend höchst professionell ihre Rollen. Ein Vergnügen.
Thomas Engel