Rickerl – Musik is höchstens a Hobby

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Die melancholische Komödie um einen Künstler, der sich mit Straßenmusik und Mini-Auftritten gerade so über Wasser hält, ist im Grunde eine Hymne an die Kunst und an alle, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten, weil sie von ihrer eigentlichen Berufung nicht leben können. 
Der Österreicher Adrian Goiginger („Der Fuchs“) zeigt auch hier sein Talent für authentische Geschichten. Er macht aus der Vater-Musik-Sohn-Story eine liebenswerte, kleine Hymne an die Wiener Szene und an die vielen Facetten des Austropop, dieser ganz speziellen, vom Dialekt getragenen Musikrichtung, die in Musikern wie Voodoo Jürgens weiterlebt. Der spielt als Rickerl seine erste Filmrolle und macht das sehr leiwand – ganz toll!

Webseite: https://www.pandorafilm.de/filme/rickerl.html

Österreich/Deutschland 2023
Drehbuch und Regie: Adrian Goiginger
Mit: Voodoo Jürgens, Agnes Hausmann, Nicole Beutler
Kamera: Paul Sprinz
Musik: David Öllerer

Länge: 110 Minuten
Verleih: Pandora Film Verleih
Kinostart: 01.02.2024

FILMKRITIK:

Wer ist dieser Rickerl, der eigentlich Erich heißt? – Der Rickerl ist ganz viel, aber vor allem eine Seele von Mensch. Wenn nur dieser Hang zur Melancholie nicht wäre. Der ist beim Rickerl geradezu geschäftsschädigend, weil er nämlich Liedermacher ist, in Wien, noch dazu. Und in Wien wollen die Menschen keine melancholischen Songs hören, melancholisch sind sie selbst.

Gründe für die Melancholie vom Rickerl gibt‘s viele, der gewichtigste Grund dürfte der Dominik sein, Rickerls kleiner Sohn, den er abgöttisch liebt. Aber den Dominik darf Rickerl nur alle zwei Wochen am Wochenende sehen, weil er nämlich die Beziehung zu Viki, Dominiks Mutter, dermaßen vor die Wand gefahren hat, dass die jetzt ihren neuen Freund, ausgerechnet einen Piefke, also einen Deutschen, heiraten will. Und das nagt ganz gewaltig am Rickerl, wie so vieles. Der Rickerl versteht die Welt nicht mehr, und er versteht sich meistens selber nicht.

Übrigens gibt’s den Rickerl gar nicht, sondern er ist eine Kunstfigur, die total kongenial vom Wiener Liedermacher Voodoo Jürgens gespielt wird. Möglicherweise handelt es sich bei Voodoo Jürgens ebenfalls um eine Kunstfigur, die große Ähnlichkeiten mit dem Rickerl haben könnte. Aber das ist eigentlich egal. Nicht egal ist, dass Voodoo Jürgens, den einige vielleicht bereits aus dem schönen kleinen Dokumentarfilm „Vienna Calling“ über die neue Wiener Kleinkunst- und Liedermacherszene kennen, ein paar Songs vom Rickerl geschrieben hat. Und das sind sehr, sehr schöne Songs.

„Rickerl“ ist nicht einfach nur ein Film über einen fiktiven Liedermacher, der sich fortwährend selbst im Weg steht. „Rickerl“ ist vor allem ein Film über die schier unüberwindlichen Hürden des Künstlerdaseins. Dieser Künstler, der sich Rickerl nennt, zweifelt praktisch in jeder Sekunde an dem, was er tut. Keine Textzeile ist ihm gut genug, jedes Lied, das er irgendwann mal, vielleicht vor ein paar Jahren geschrieben hat, kann und muss immer noch verbessert werden. Der Rickerl lebt nicht in den Tag hinein, auch wenn es manchmal so aussieht, denn es ist alles andere als einfach, der Rickerl zu sein. Das Beisl – die Wiener Kneipe – ist sein Revier, der Schmäh ist sein Programm und alles andere wird sich finden. Oder auch nicht. Tatsächlich aber sieht es so aus, als könnte der Rickerl das Zeug zum großen Künstler haben, und auch davon erzählt dieser kleine, feine Film.

Adrian Goiginger, der schon mit seinem Kinoerstling „Die beste aller Welten“ auf der Berlinale 2017 für Furore sorgte, hält auch in seinem vierten Kinofilm das hohe Niveau und diese sehr angenehme Mischung aus liebevoller Betrachtung und lakonischem Humor, zu dem immer auch eine leicht melancholische Atmosphäre gehört. Gleichzeitig liefert er hier eine Liebeserklärung in mehrfacher Hinsicht: an den Austropop, der zurzeit wieder ein Comeback mit neuen Künstlerinnen und Künstlern feiert, an die Stadt Wien und an den unverkennbaren Dialekt, der einfach dazugehört. Dabei ist „Rickerl“ viel eher eine Komödie als seine vorherigen Filme, dabei aber alles andere als platt oder oberflächlich: ein feines Kinoerlebnis.

Und bei allem sollte unbedingt erwähnt werden: In diesem Film wird mehr geraucht als in einem Bette-Davis-Film aus den 30er Jahren. Und das ist auch keine kleine Leistung.

 

Gaby Sikorski