Rock the Kasbah

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Die glänzend besetzte, komische Mediensatire von Barry Levinson mit Bill Murray in der Hauptrolle hätte es verdient, endlich groß rauszukommen. Möglicherweise könnte die Geschichte, die in Afghanistan spielt, ein ähnliches Schicksal erleben wie seinerzeit „Eins, Zwei, Drei“: eine tolle Komödie, aber zur falschen Zeit am falschen Ort. Hoffentlich nicht! Immerhin geht es um ein zeitloses Thema: Der ewige Verlierer wittert endlich Morgenluft. Als erfolgloser Rockmanager hat Richie Lanz seine vielleicht letzte Chance, ein echtes Talent zu entdecken. Nur leider strandet er, ohne Pass und ohne Geld, ausgerechnet in Kabul. Und sein Star ist eine Muslima, die davon träumt, in „Afghanistan sucht den Super-Star“ aufzutreten. Das könnte Probleme geben … Und es gibt sie. Reichlich.

Webseite: splendid-film.de/rock-the-kasbah

USA 2015
Regie: Barry Levinson
Drehbuch: Mitch Glazer
Darsteller: Bill Murray, Zooey Deschanel, Bruce Willis, Kate Hudson, Leem Lubany
Musik: Marcelo Zarvos
105 Minuten
Verleih: Splendid Film, Vertrieb: Tobis
Kinostart: 24.03.2016
 

FILMKRITIK:

Eine gute Komödie zu machen, ist schon schwierig genug. Den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um sie ins Kino zu bringen, kann zur beinahe unlösbaren Aufgabe werden, wenn es im Plot nicht nur um Tüddelkram und Liebesgedöns, sondern um Themen mit aktuellem Bezug geht. Das ist das Risiko. Es hängt über jeder politischen Satire wie ein Damoklesschwert, und je boshafter und fieser der Plot ist, desto größer wird die Gefahr.
 
Barry Levinson – unvergessen für „Wag the Dog“, „Good Morning Vietnam“ und „Inside Hollywood“ – hatte schon immer ein Händchen für Mediensatiren. „Wag the Dog“ war unglaublich böse, „Good Morning Vietnam“ war eine mutige, ziemlich leichte Komödie über die Scheußlichkeiten des Vietnamkrieges. „Rock the Kasbah“ hat mit beiden Filmen viel zu tun, ist aber noch mehr: eine Hippiekomödie im besten Sinne. Levinsons Mediengeschichten strotzen vor Gemeinheiten, die einem fundierten Insiderwissen zu verdanken sind. Die Dialoge und die überraschenden Wendungen der Geschichte in Mitch Glazers Drehbuch sind oft Sarkasmus pur und von berauschend atemstockender Komik.
 
Bill Murray verkörpert kongenial den Prototypen eines ebenso verlogenen wie erfolglosen Rockmanagers. Dieser Richie Lanz hatte vielleicht mal irgendwann eine echte Chance, doch selbst seine schlechten Zeiten sind schon lange vorbei. Was übrig bleibt, ist pures Medienelend, nämlich eine Tour mit seiner letzten Künstlerin Ronnie zu den US-Truppen nach Afghanistan. Aus demselben Grund, warum manche Ex-Stars Supermärkte eröffnen oder ins Dschungelcamp ziehen, also aus reiner Geldnot, macht Richie gute Miene zum bösen Spiel. Kaum gelandet, lässt er sich von Ronnie reinlegen und steht ohne Pass und Geld auf der Straße. Er verdient sich, wie fast alle Amis hier, mit Waffenhandel ein bisschen was dazu und … dann geschieht so etwas wie ein kleines Wunder. Denn ausgerechnet dem Zyniker Richie begegnet eine Frau mit einer engelsgleichen Stimme. Salima heißt die unschuldige Schönheit. Sie möchte gern in der Öffentlichkeit singen, doch niemand lässt sie, und dabei wünscht sie sich nichts mehr, als bei „Afghanistan sucht den Superstar“ mitzumachen. Sie wäre die erste Frau. Also eine durchaus dankbare Aufgabe für Richie, der seine letzten Kräfte aktiviert und ebenso ein paar neue Bekanntschaften, andere Amerikaner, die es hierher verschlagen hat: ein paar Waffenhändler und eine Nutte, mit der er sich anfreundet. Mit ihrer Hilfe versucht Richie, in ein paar Tagen das zu erreichen, womit er sein ganzes Leben verbracht hat: einen Erfolg zu schaffen. Und das vor dem Hintergrund eines Krieges mit all seinem Wahnsinn, der Zerstörung, der Ungerechtigkeit, aber auch mit der Absurdität, die mit dabei ist, wo Menschen die Waffen aufeinander richten. Und natürlich richtet Levinson auch einen kritischen Blick auf die durchaus dubiose Rolle der USA in diesem Konflikt.
 
Richie Lanz stammt aus einer Zeit, als man noch daran glaubte, Musik könnte die Welt verändern. Salima bringt ihn nach vielen Jahren dazu, wieder an diese alten Träume zu glauben. Das bringt nicht nur Tragik in die Komödie, sondern auch einen wunderbar nostalgischen Charme. Rock’n Roll, Baby! Bill Murray spielt diesen Weltklassezyniker mit wunderbarer Komik. Er ist ein charmanter Dampfplauderer, der sich sogar im Angesicht von Gewehrmündungen noch auf seine Schlagfertigkeit verlassen kann. Der Film ist ein wahres Fest für Bill Murray-Fans, doch an seiner Seite spielen in kleinen und kleinsten Rollen ebenfalls tolle Leute, von denen zwei extrem herausragen: als Bombay-Brian ist Bruce Willis ein wunderbarer beknackter Söldner. Zooey Dechanel spielt die talentfreie Ganztagshysterikerin Ronnie, und Kate Hudson ist die taffe Merci, die Hure mit dem goldenen Herzen … oder etwa doch nicht? Mitch Glazer und Barry Levinson spielen mit Erwartungshaltungen, dass es nur so kracht. Nichts ist, wie es aussieht, die Handlung wirkt nicht immer logisch und ist es dann doch irgendwie.
 
In einer der schönsten Szenen des Films meuchelt Bill Murray „Smoke on the Water“ vor einer Gruppe vollkommen verständnisloser pashtunischer Dorfbewohner. Das klingt vollkommen abstrus, und vieles in diesem Film ist absurd, bizarr und ziemlich durchgeknallt. Aber so unwahrscheinlich es klingen mag, der Film beruht tatsächlich auf einer wahren Geschichte. Mehr wird nicht verraten, außer einem letzten Satz: Es wird böse werden – und trotzdem sehr, sehr schön.
 
Gaby Sikorski