Rückenwind von vorn

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Als Eröffnungsfilm der Perspektive Deutsches Kino wurde „Rückenwind von vorn“ eingeladen, der dritte Film des jungen Regisseurs Philip Eichholtz. Der dreht seine Filme im Sinne des durch Axel Ranisch bekannt gewordenen „Sehr Gute Filme-Manifest“, einem Versuch, auch ohne viel Geld oder umfassende öffentliche Förderung Filme aus dem Leben zu drehen.

Webseite: www.darlingberlin.de

Deutschland 2018
Regie & Buch: Philipp Eichholtz
Darsteller: Victoria Schulz, Aleksandar Radenkovic, Daniel Zillmann, Angelika Waller, Karin Hanczewski, Amelie Kiefer
Länge: 77 Minuten
Verleih: UCM.ONE, Darling Berlin
Kinostart: 15. März 2018

FILMKRITIK:

Um die 30 ist die Lehrerin Charlie (Victoria Schulz), die an einer Berliner Grundschule arbeitet. Mit ihren kleinen Schülern kommt sie ebenso gut zurecht wie mit ihren Kollegen, besonders dem stark übergewichtigen Gerry (Daniel Zillmann), der ein ziemlicher Kontrast zu Charlies Freund Marco (Aleksander Radenkovic) ist. Mit dem lebt Charlie in einer kleinen Wohnung zusammen, alles scheint seinen konventionellen Weg zu gehen, auch die Kinderplanung hat schon begonnen. Zumindest Marco bemüht sich redlich, doch Charlie ist deutlich weniger davon begeistert, nach der Eisprung-Uhr Sex zu haben, um es Marcos Schwester nachzumachen, die übertrieben stolz ihren Nachwuchs präsentiert.
 
Charlie dagegen hat Zweifel, keine großen, aber unüberhörbare. Wohl auch deshalb nimmt sie heimlich die Pille, denn neben ihren Schülern hat sie auch noch ihre geliebte Oma Lisbeth (Angelika Waller), die nicht mehr die jüngste ist und nur noch Charlie hat. Deren beste Freundin ist gerade auf eine große Reise nach Asien aufgebrochen und versucht immer wieder Charlie via skype zum nach kommen zu überreden. Doch diese zögert und hadert: Mit ihrem lethargischen Freund, der lieber zu Hause am Computer spielt, als mit ihr tanzen zu gehen, mit ihrem scheinbar festgefahrenen Leben, vor allem aber mit sich selbst und ihrer Angst vor Risiko und Veränderungen.
 
Drei Filme hat Philipp Eichholtz in kaum vier Jahren gedreht, 2014 „Liebe mich!“, der bei den Hofer Filmtagen zu sehen war, 2016 „Luca tanzt leise“, der beim Max Ophüls Festival lief und nun „Rückenwind von vorn“, mit der er es also schon zur Berlinale geschafft hat. Eine eindrucksvolle Bilanz für einen Filmemacher, der seine Filme mit geringsten finanziellen Mitteln dreht, im wahrsten Sinn des Wortes von OMA gefördert, und so heißt auch seine Produktionsfirma.
 
Man sieht es den Filmen an, wie handgemacht sie sind, doch gerade das improvisierte, manchmal auch etwas Unbeholfene trägt zum Charme bei. Ähnlich wie sein Mitstreiter Axel Ranisch hat auch Eichholtz viel Gespür für Situationen, für die kleinen Momente einer Beziehung. Wie er die vorsichtigen Fluchtversuche Charlies schildert, ihr zunehmendes Unwohlsein in ihrer Beziehung zu Marco, einer Annäherung an Gerry, der ganz anders, viel spontaner ist, aber letztlich so gar nicht zu der zierlichen Frau passt, das hat viele Qualitäten.
 
Bleibt vor allem die Frage, wie es für einen Regisseur wie Philip Eichholtz weitergehen kann, ob ihm es gelingt, seine Sujets zu erweitern, größeres anzustreben, auch stilistisch, aber vor allem erzählerisch. Denn bei allen Qualitäten ist „Rückenwind von vorn“ ein sehr kleiner Film, nicht nur in der Machart, sondern auch in den eigenen Ansprüchen.
 
Michael Meyns