Ruhm

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2009 hat Daniel Kehlmann „Ruhm“, einen Roman in neun Geschichten, veröffentlicht. Isabel Kleefeld hat sich daraus sechs Kapitel für ihre Tragikomödie herausgepickt. Berührungspunkte zwischen den in den einzelnen Episoden auftretenden Figuren sind vorhanden, aber nicht zwingend oder sofort offensichtlich. Ihr gemeinsamer Nenner: die Sehnsucht darauf, in einem erfüllten Leben zuhause zu sein, was dann auch schon mal ein anderes als das eigene sein darf. Schauspielertechnisch wird einiges geboten, wenngleich der Film nicht die Tiefe aller Figuren auslotet. Kehlmann selbst empfand die künstlerisch selbständige Umsetzung als „ausnehmend gut“.

Webseite: www.ruhm-derfilm.de

Deutschland 2012
Regie: Isabel Kleefeld
Darsteller: Senta Berger, Heino Ferch, Julia Koschnitz, Stefan Kurt, Thorsten Merten, Axel Ranisch, Gabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnányi, Matthias Brandt, Johanna Gastdorf, Ursula Strauss u.v.a.
103 Minuten
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 22.3.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ zu lesen ist ein fesselndes Erlebnis. Man lernt dort Menschen kennen, denen Kurioses, mitunter auch Tragisches passiert. Wie sie damit umgehen, sich arrangieren, einlassen auf eine bestimmte Situation, in andere Rollen schlüpfen, das ist mit leichter, aber sehr präziser Sprache und ironischem Unterton niedergeschrieben und erzählt. Nach manchmal schon 20 Seiten lässt man eine Figur aber auch schon wieder hinter sich. Wer sich also diese Romanverfilmung anschaut, sollte sich klar darüber sein, sich bald schon wieder von einer Figur verabschieden zu müssen. Wie jenem von Justus von Dohnányi gespielten Ingenieur Joachim Ebling, dessen neu erworbenes Mobiltelefon auf eine bereits anderweitig vergebene Nummer hört, was diesem Ebling anfangs nervt, ihn dann aber auch neugierig macht und ihn wenigstens ein kleines bisschen in die Rolle jenes ihm unbekannten Mannes rutschen lässt. Was der Auftakt zu einer hübschen Verwechslungskomödie sein könnte, endet also gewissermaßen in einer Sackgasse.

„Ruhm“ ist ein Roman ohne Hauptfigur. Einen ähnlichen Satz sagt auch der Schriftsteller Leo Richter (Stefan Kurt) im Buch und nun eben auch im Film. Kehlmann hat ihn als Karikatur eines neurotischen Schriftstellers angelegt, der sich seine Protagonisten quasi aus der Begegnung mit anderen Menschen heraus erfindet, indem er wirkliche Personen in Scheinwirklichkeiten eintreten lässt. „Die Wirklichkeit ist lediglich eine Frage der Perspektive“, lautet Richters Credo. „Existenz endet, sobald Du den Blick von mir nimmst“, ein anderes seiner Verfahrensmerkmale.

Richter hält also nicht nur die Fäden der Figuren zusammen, im Film sind seine Auftritte quasi der rote Faden. Weil er zu einer Literaturpreisverleihung in die Schweiz muss, bittet er die Krimiautorin Maria Rubinstein (Gabriela Maria Schmeide), an seiner statt einer Einladung für Reisejournalisten in den ehemaligen Ostblock Folge zu leisten. Dort erklärt man ihr, dass sie ohne Visum gar nicht hier sein könne, sprich: offiziell in diesem Land gar nicht existiert. Schmeide ist in ihrer bemitleidenswerten Rolle und verzweifelten Hilflosigkeit klasse. Heino Ferch wiederum hat als Starschauspieler Ralf Tanner Spaß daran, gelegentlich so zu tun, als sei er nur sein Double – bis er zu seinem Erschrecken erkennen muss, dass sich bereits ein wirklicher Doppelgänger in seiner Villa eingenistet hat. Auch so können Alpträume aussehen.

So überdreht und irrwitzig fünf der von Kleefeld ausgewählten Geschichten trotz aller ihnen innewohnenden Nachdenklichkeit und Dramatik sind, so tiefgründig ist hingegen jene Episode mit Senta Berger. Sie spielt die an Krebs erkrankte Rosalie, die sich langsam auf ihr Sterben vorbereitet und dazu in ein privates Sterbeinstitut in die Schweiz reist.

Isabel Kleefeld hat ihre Episoden nicht abgeschlossen wie die Romankapitel, sondern munter aufgefächert über den Film verstreut. Manchmal laufen sich Figuren auch über den Weg. Das ist dann ein schöner Aha-Effekt, man meint, Zusammenhänge zu begreifen. Trotzdem fehlt es an den Schnittstellen aber an einer Spannungsprogression, laufen die Ereignisse mitunter einfach nur brav weiter, so brav, wie eben viele der hier versammelten Figuren, die sich in ihrer Wirklichkeit doch so sehr wünschen, besser wahrgenommen zu werden. Kehlmann selbst hat Kleefeld übrigens noch einen Cameoauftritt ins Drehbuch geschrieben. Man darf gespannt sein, welcher Ruhm dieser insgesamt sehr ruhigen und unaufgeregten Verfilmung zuteil wird. Kehlmanns Buchvorlage jedenfalls hatte in den Bestsellerlisten von „Spiegel“ und „Focus“ nach Erscheinen die Pole-Position inne.

Thomas Volkmann

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