Running against the Wind

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Allzu oft finden Filme aus Afrika nicht den Weg in die deutschen Kinos, „Running against the Wind“ ist insofern eine Ausnahme oder besser gesagt eine halbe Ausnahme. Denn auch wenn der Film von Äthiopien für den Oscar vorgeschlagen wurde, ist der Regisseur ein Deutscher, der zwar einige Jahre in dem ostafrikanischen Land lebte, aber dennoch den Blick eines Fremden hat. Ein gut gemeinter Film, der den Problemen seines Ansatzes nicht ganz entkommen kann.

https://www.wfilm.de/running-against-the-wind/

Deutschland/ Äthiopien 2019
Regie: Jan Philipp Weyl
Buch: Michael Wogh & Jan Philipp Weyl
Darsteller: Ashenafi Nigusu, Mikiyas Wolde, Joseph Reta Belay, Ferhane Beker, Alamudin Abduselam, Samrawit Desalegn

Länge: 116 Minuten
Verleih: w-film
Kinostart: 20. Juli 2023

FILMKRITIK:

In der Provinz Äthiopiens wachsen sie wie Brüder auf: Abdi (als Kind Ferhane Beker, als Erwachsener Ashenafi Nigusu) und Solomon (Alamudin Abduselam & Mikiyas Wolde). Unterschiedliche Wege werden sie gehen und sich Jahre später in der Hauptstadt Addis Abeba wieder begegnen. Abdi trainiert im Kader der Nationalmannschaft Langlauf, Solomon träumt immer noch davon, Fotograf zu werden, schlägt sich allerdings in der Unterwelt mit Kriminellen herum.

Zusammen mit seiner Kindheitsfreundin (Samrawit Desalegn) hat er ein Kind, gemeinsam lebt die kleine Familie in einer Hütte am Rande der wachsenden Metropole. Erst die Begegnung mit dem  Fotografen Paul (Jan Philipp Weyl) lässt den alten Traum wieder aufleben. Doch sich aus den Fängen der Unterwelt zu befreien ist nicht einfach, zumal sein

Kumpel Kiflom (Joseph Reta Belay) sich immer wieder selbst in Schwierigkeiten bringt. Mühsam versucht Solomon seine unterschiedlichen und sich oft widerstrebenden Loyalitäten unter einen Hut zu bringen.

Schon als Schüler begann Jan Philipp Weyl sich für das ostafrikanische Land Äthiopien zu interessieren, organisierte Spendensammlungen, die im Lauf der Jahre halfen, zwei Schulen zu finanzieren. Zur Vorbereitung seines Spielfilmdebüts „Running against the Wind“ lebte Weyl dann mehrere Jahre in Addis Abeba, lernte die offizielle Landessprache Amharisch und drehte schließlich einen Film, der in jedem Moment gut gemeint und zumindest stilistisch auch gut gemacht ist.

Starke Bilder findet Kameramann Mateusz Smolka, die die ganze Vielfalt Äthiopiens zeigen, die gerade in der Hauptstadt Addis Abeba zu spüren ist. „Typische“ Afrikabilder von wilden Tieren, malerischen Sonnenaufgängen oder Kindersoldaten finden sich hier nicht, stattdessen Aufnahmen einer pulsierenden Großstadt, in der sich längst eine Mittelschicht entwickelt hat, die kaum anders lebt, als eine Mittelschicht in westlichen Metropolen.

Doch so angenehm es ist, ein optisch differenziertes Bild von einem afrikanischen Land zu sehen, inhaltlich greifen Weyl und sein Co-Drehbuchautor Michael Wogh immer wieder auf Motive zurück, die zunehmend problematisch erscheinen. Zumal die Geschichte von den zwei Brüdern im Geiste, die unterschiedliche Leben führen, das betonte Kontrastieren von Stadt und Land, Arm und Reich allzu schlicht anmutet, um nicht zu sagen naiv. Immer wieder ist  hier der gut meinenden Duktus eines Entwicklungshelfer zu spüren, der felsenfest davon überzeugt ist, dass alles was er tut, schon einen positiven Effekt haben wird.

Besonders deutlich wird das schließlich in der von Weyl selbst gespielten Figur des Kunstfotografen, der Solomon eine erste Ausstellung und damit den Ausweg aus dem Elend ermöglicht. Auf die Frage, warum er denn in schwarz-weiß fotografiert, antwortet dieser tatsächlich: „Meine Farben sind schwarz-weiß und alle dazwischen.“ Ein Satz, der den gutmenschelnden Duktus eines Films auf den Punkt bringt, der sich zwar redlich bemüht, nicht aus der Perspektive eines Außenstehenden zu erzählen, keine typische White Saviour Narration zu bedienen, am Ende aber doch nicht aus seiner Haut kann.

 

Michael Meyns