Ein um Anerkennung ringender Filmemacher versucht in der Tragikomödie „Sad Jokes“ Familie, Beruf und Liebesleben unter einen Hut zu bekommen. Eine gewaltige Herausforderung, die sorgsame Planung, Disziplin und Struktur einfordert. Wäre da nicht das Leben, das stets dazwischenfunkt. Fabian Stumm gelingt ein zutiefst menschlicher Film, der Absurdität und Humor punktgenau mit Tragik und Schwermut vermengt. „Sad Jokes“ steckt voller Überraschungen und ist eine ironische, im Kern jedoch immer zutreffende Betrachtung der Wirklichkeit.
Deutschland 2024
Regie: Fabian Stumm
Buch: Fabian Stumm
Darsteller: Fabian Stumm, Justus Meyer,
Haley Louise Jones, Ulrica Flach
Verleih: Salzgeber
Länge: 96 Minuten
Kinostart: 12. September 2024
FILMKRITIK:
Regisseur Joseph (Fabian Stumm) und Sonya (Haley Louise Jones) sind beste Freunde und gleichzeitig Eltern eines gemeinsamen Sohnes. Die Erziehung teilen sie normalerweise gleichberechtigt untereinander auf. Da Sonya aktuell an einer Depression leidet und ihr stationärer Aufenthalt noch nicht abgeschlossen ist, liegt die Verantwortung aktuell mehr bei Joseph. Und auch sonst ist viel los im Leben des 40-Jährigen: Er arbeitet an einem neuen Film und versucht weiterhin, die Trennung von seinem Ex-Freund Marc zu verarbeiten.
Wie bringt man den stressigen, nicht planbaren Familienalltag mit dem Job sowie den eigenen Interessen in Einklang? Und wie gelingt eine zufriedenstellende Balance aus ordinärer Pflichterfüllung, Privatleben und beruflicher Selbstverwicklung? Zwei der zentralen Fragen, die sich Filmemacher, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Fabian Stumm für seine zweite Spielfilm-Regiearbeit gestellt haben könnte.
Denn genau darum geht in „Sad Jokes“: um scheinbar ganz banale, gewöhnliche Irrtümer und Situationen in Privat- und Berufsleben. Begebenheiten und Momentaufnahmen, die das Leben schreibt und die wir alle kennen. Die uns täglich aber ebenso aufs Neue herausfordern und unser zwischenmenschliches Miteinander prägen. Diesen Situationen begegnet Stumm, der selbst in jeder Szene des Films zu sehen ist, zu gleichen Teilen mit Humor, Ernsthaftigkeit und bewusster Zuspitzung.
Bei einem Date, es ist Josephs erstes nach drei Jahren, arbeitet Stumm pointiert die Unsicherheiten und Missverständnisse heraus, die solche Momente durchziehen. Man kennt einander und die jeweilige Lebensgeschichte (noch) nicht, hinzu kommen unerwartete Zwischenfälle, die die Stimmung zunichtemachen. Andere Szenen beleuchten spezifisch und sehr treffend die Hürden, die es in beruflichen Kontexten und bei der Kommunikation mit dem Chef oder Entscheidern (in diesem Fall Josephs Produzent), zu nehmen gilt. Es sind nur allzu oft unangenehme, gekünstelte Gespräche, die kommunikatives Fingerspitzengefühl erfordern – und am Ende doch häufig eine Seite unbefriedigt zurücklassen.
Stumm, der über ein eingespieltes, authentisch aufspielendes Ensemble verfügt, reichert „Sad Jokes“ mit absurden aber wahrhaftigen Zufällen an. Freud und Leid liegen dabei stets nah beisammen. Davon kündet etwa das unerwartete Aufeinandertreffen zwischen Joseph und seinem Ex. Die Wiedersehensfreude weicht schon bald ernüchternden, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Vorwürfen.
Trotz statischer Kamera, die immer streng auf die handelnden Akteure und die jeweilige Szene gerichtet ist, entsteht beim Zuschauen ein leichter, natürlicher Eindruck. Alles ist im natürlichen Fluss und in Bewegung. Das betrifft ebenso das Gemüt der Figuren. Mal sind die Charaktere von Traurigkeit, Melancholie und Ängsten durchzogen, mal von Heiterkeit, Optimismus und Glücksgefühlen. Stumm legt sie als ganz normale, fehlbare Menschen mit Stärken und Schwächen an – auch deshalb fällt die Identifikation mit ihnen so leicht.
„Das Leben ist ein schlechter Witz, aber es wäre zu tragisch, wenn keiner drüber lachen würde“, lautet eine oft bemühte Lebensweisheit. Stumm nimmt sie, in Anlehnung an den Filmtitel, scherzhaft wörtlich und filmt gleich zu Beginn Menschen, die wahrlich schlechte Witze erzählen. Diese kreativen Einfälle machen den in Ansätzen autobiografischen „Sad Jokes“ sympathisch unkonventionell und abwechslungsreich.
Björn Schneider