Saf

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Ali Vatansevers Film über die Gentrifizierung und das Vertreiben der angestammten Bewohner ist ein intensives, bodenständig gefilmtes Drama, das mit dem Konflikt türkischer Arbeiter, die durch syrische Flüchtlinge, die für weniger Geld arbeiten, noch ausgebaut wird. Was Vatansever abgeliefert hat, ist gut vergleichbar mit den Filmen eines Ken Loach.

Website: https://www.realfictionfilme.de/saf.html

Türkei / Rumänien / Deutschland 2018
Regie + Buch: Ali Vatansever
Darsteller: Erol Afsin, Saadet Aksoy, Kida Khodr Ramadan
Länge: 102 Minuten
Verleih: Real Fiction Filme
Kinostart: 24.02.2022

FILMKRITIK:

Kamil ist ein freundlicher Mann, dem das aber nie vergolten wird. Seine Frau Remziye möchte, dass er mehr verdient. Er muss sich auf dem Bau jedoch in einem Job verdingen, für den er genauso wenig bezahlt bekommt wie ein syrischer Flüchtling. Aufgrund dieses Dumpings des Arbeitslohns sind Syrer unter den Bauarbeitern auch nicht gerne gesehen – und Kamil muss aufpassen, nicht zu zeigen, dass er auch für einen schäbigen Lohn arbeitet. Er hat den Job eines Syrers übernommen und versucht, das dem Mann gegenüber gut zu machen, doch die Situation eskaliert eines Abends – und Kamil verschwindet. Remziye sucht nach Kamil, von dem es heißt, er hätte auf dem Bau gar nicht gearbeitet, und sie findet den Mann, dessen Job Kamil übernommen hat.

Der Titel ist vielseitig. „Saf“ bedeutet sowohl „rein“, als auch „naiv“ oder „närrisch“. All das beschreibt die Hauptfigur des Films sehr gut. Kamil ist ein guter Mann. Jemand, der gegen die Gentrifizierung ist, den die Armut aber dazu treibt, für eine Baufirma zu arbeiten, die sie noch vorantreibt. Und dennoch reicht es zum Leben kaum. Immer lebt er in der Angst, dass ein Syrer seinen Job übernehmen könnte. Das lässt ihn immer mehr verzweifeln – als Zuschauer spürt man das. Kamil lebt im Spannungsfeld bitterer Armut und Ausgegrenztheit, weil er für einen Hungerlohn arbeitet und von den anderen gemieden wird.

Der Film ist auch ein Kommentar auf die Flüchtlingswelle, die die Türkei getroffen hat. Er zeigt schonungslos, dass die syrischen Flüchtlinge bei der Bevölkerung alles andere als willkommen sind, als billige Arbeitskräfte ohne Rechte aber gerne missbraucht werden. „Saf“ ist im Grunde das, was der große britische Filmemacher seit Jahrzehnten erzählt – eine Geschichte über die Arbeiterklasse, garniert mit einer Portion Rassismus, unendlicher Tristesse und dem Gefühl absoluter Machtlosigkeit.

Das macht „Saf“ zum intensiven Drama, das erzählerisch interessant gestaltet ist. Denn bis zur Hälfte etwa ist Kamil die Hauptfigur. Dann verschwindet er und der Fokus richtet sich auf seine Frau, die bis zu dem Zeitpunkt nur Staffage der Geschichte war. Der Film gipfelt in einem Gespräch zwischen Kamils Frau und dem Syrer, dessen Job er übernommen hat. Am Ende sind alle gleich. Alle wollen nur arbeiten, um Essen auf den Tisch zu bekommen. Syrer, Türken, welche Nationalität auch immer – sie alle sind nur Menschen, die mit denselben Problemen zu kämpfen haben.

Peter Osteried