Nach dem Tod des Vaters flieht die Französin Catherine zu ihrer Schwester nach Brasilien – und lernt den deutlich jüngeren Gil kennen. Eine klassische Amour Fou inszeniert der brasilianische Regisseur Alex Carvalho in seiner Heimatstadt Recife, vor allem aber ein Spiel mit Vorurteilen und Erwartungen, denn das Aufeinandertreffen der Weißen und des Schwarzen läuft anders ab als erwartet.
La Salamandre
Brasilien, Frankreich, Belgien, Deutschland 2021
Regie: Alex Carvalho
Buch: Thomas Bidegain, Alex Carvalho, Alix Delaporte, nach dem Roman von Jean-Christophe Rufin
Darsteller: Marina Foïs, Maicon Rodrigues, Anna Mouglalis, Bruno Garcia, Allan Souza Lima, Thardelly Lima
Länge: 119 Minuten
Verleih: Alpenrepublik
Kinostart: 27. Juli 2023
FILMKRITIK:
Am Strand von Recife, einer brasilianischen Hafenstadt, die zu den ärmsten des Landes zählt, lernen sie sich kennen: Die etwa 50jährige weiße Französin Catherine (Marina Foïs) und der junge schwarze Brasilianer Gil (Maicon Rodrigues). Nur mit Gesten können sie ein wenig kommunizieren, er verteilt Flyer für die Bar, in der er arbeitet, sie ist irritiert und doch angezogen, lässt sich den Rücken eincremen und taucht am Abend in der Bar auf.
Eine Affäre beginnt, die nicht nur von Catherines Schwester Aude (Anna Mouglalis) skeptisch betrachtet wird. Doch Catherine befindet sich in einer emotional fragilen Situation, ihr Vater ist vor wenigen Wochen gestorben, allein hat sie die Beerdigung organisiert, die Schwester hat sie allein gelassen, agiert vielleicht auch wegen dieses Versäumnises zurückhaltender, auch als sie ahnt, was passieren wird.
Denn bald macht Gil den Vorschlag, eine Strandbar zu kaufen, einen heruntergekommenen Schuppen, den er zusammen mit Catherine renovieren will, um sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. Doch dazu wird es nicht kommen und Catherine geht im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer.
Ist es ein typisch westlicher, von Vorurteilen (und Filmen wie Ulrich Seidls Loverboy-Drama „Paradies: Liebe“) geprägter Blick, der vom ersten Augenblick Zweifel aufkommen lässt, als der junge Gil, die deutlich ältere Catherine anspricht? Vom ersten Augenblick glaubt man genau zu wissen, was hier passieren wird, dass Gil unlautere Absichten hat, dass er Catherine nur ausnutzen will. Mehr und mehr wird jedoch deutlich, dass es hier nicht oder nicht nur Gil ist, der Catherine ausnutzt, sondern nicht zuletzt Catherine selbst, die auch Gil ausnutzt.
Manches bleibt unbestimmt im Langfilmdebüt des brasilianischen Regisseurs Alex Carvalho, der einen in seiner Heimat viel gelobten Roman des französischen Autors Jean-Christophe Rufin adaptiert. Wie genau Gils Verhältnis zu seinen Kollegen in der Bar aussieht bleibt ebenso im unklaren, wie Catherines Vergangenheit oder das Verhältnis zu ihrer Schwester. Nicht immer konsequent wirkt diese erzählerische Zurückhaltung, nicht ganz gelungen, wie Carvalho versucht, eine leidenschaftliche Amour Fou zu inszenieren, die von Abhängigkeiten geprägt ist, die sich die Beteiligten selbst nur langsam eingestehen.
Impressionistisch versucht er „Salamandra“ zu inszenieren, mehr mit Bildern als mit Worten anzudeuten, wie Vorurteile und Klischees einer echten Liebe im Weg stehen können. In den besten Momenten gelingen ihm jedoch treffende Beobachtungen aus einer post-kolonialen Welt, die immer noch von tiefsitzenden Vorurteilen geprägt ist, vor allem jedoch eine sinnlich inszenierte Amour Fou, die an den Umständen scheitert.
Michael Meyns