Salami Aleikum

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Mehr als nur einen Kulturschock erlebt ein junger Deutsch-Iraner, als er im tiefsten Ostdeutschland auf die Liebe seines Lebens trifft. Nach der preisgekrönten Dokumentation „Lost Children“ gibt der ebenfalls aus dem Iran stammende Filmemacher Ali Samadi Ahadi mit der turbulenten, fantasiereichen Culture-Clash-Komödie „Salami Aleikum“ sein Debüt im fiktionalen Fach. Ahadis Film versteht es trotz mancher Albernheiten und vorhersehbarem Ablauf gut zu unterhalten.

Webseite: www.salami-aleikum.de

D 2009
Regie: Ali Samadi Ahadi
Drehbuch: Ali Samadi Ahadi, Arne Nolting
Kamera: Bernhard Jasper,
Schnitt: Dirk Grau
Musik: Ali N. Askin
Darsteller: Navid Akhavan, Anna Böger, Michael Niavarani, Wolfgang Stumph, Proschat Madani, Eva-Maria Radoy
Laufzeit: 102 Minuten
Kinostart: 23.7.2009
Verleih: Zorro
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Nach dem Fall der Mauer standen sich hierzulande Wessis und Ossis zumeist recht unvorbereitet gegenüber. Die Vorurteile waren groß, das Misstrauen ebenso. Während Politiker nicht müde wurden, an den deutsch-deutschen Gemeinsinn zu appellieren, klaffte zwischen Wunsch und Realität nicht selten eine gewaltige Lücke. Wenn schon der gemeine Wessi seinen Landsmann aus dem Osten bisweilen nicht versteht und umgekehrt, wie soll sich dann erst ein Immigrant, jemand aus einem ganz anderen Kulturkreis, bei uns zurechtfinden? Ali Ahadis Culture-Clash-Komödie „Salami Aleikum“ versucht sich an einer Antwort. Darin strandet ein junger Iraner aus Köln in der ostdeutschen Provinz, wo er nicht nur auf einen sehr eigenen Menschenschlag sondern auch auf seine große Liebe trifft.

Ahadi weiß, wovon er spricht. Bereits als Kind kam der heutige Wahl-Kölner ohne seine Eltern aus dem Iran nach Deutschland. Den kulturellen Background teilt er sich mit seiner Hauptfigur Mohsen (Navid Akhavan), wobei er diese trotz mancher autobiographischer Züge nicht als sein Alter Ego verstanden wissen will. Im Gegensatz zu Ahadi lebt Mohsen noch mit Ende 20 bei den Eltern. Der eigene Vater (Michael Niavarani), der in der Domstadt eine Metzgerei betreibt, hält ihn für einen Versager. Dass der schüchterne Deutsch-Iraner kein Blut sehen kann, sich immerzu in wilde Tagträume flüchtet und in seiner Freizeit bevorzugt strickt, lässt sich zugegeben auch nur schwer dem stolzen Familienoberhaupt vermitteln.

Als Mohsen endlich die Gelegenheit erhält, seinem Vater das Gegenteil zu beweisen und den elterlichen Betrieb zu retten, landet er auf Umwegen in einem kleinen, verschlafenen Ort namens Oberniederwalde. Das liegt irgendwo im tiefsten Ostdeutschland. Seit der Wende und dem Aus für den ortsansässigen volkseigenen Betrieb „Textile Freuden“ ist mit Oberniederwalde nicht mehr wirklich viel anzufangen. Ausländern wie Mohsen begegnet man dort mit Argwohn und äußerster Zurückhaltung – bestenfalls. Da erscheint es nicht ganz unproblematisch, wenn sich der Neuankömmling Hals über Kopf in die Tochter des Kneipenwirts (Wolfgang Stumph) verliebt. Ana (Anna Böger) ist groß, blond, stark, selbstbewusst und somit das genaue Gegenteil von Mohsen.

Ahadi entwickelt aus einer simplen Orient-trifft-Okzident-Konstellation eine überaus farbenfrohe, verspielte Komödie mit einer Vielzahl von innerdeutschen Bezügen. Schon in den ersten Minuten wird klar, dass sich Ahadis Film zumindest in der Art der Präsentation von den meisten anderen Multikulti-Geschichten grundsätzlich unterscheidet. Statt in Köln oder der ostdeutschen Provinz wähnt man sich bisweilen in einem Traum aus 1001er Nacht. Um den Zuschauer unmittelbar am Seelenleben seiner Protagonisten teilhaben zu lassen, erhalten deren Hoffnungen und Wünsche eigene kleine Bühnen, auf denen sich plötzlich alles um eine verrückte Idee oder einen lange Zeit unerreichbaren Traum dreht. Während sich Mohsen eine gemeinsame Zukunft mit Ana als Episode aus einem Bollywood-Film ausmalt, sehnt Anas Vater den Glanz alter sozialistischer Textil-Herrlichkeit herbei.

Für Ahadi scheinen indes keine stilistischen Grenzen zu existieren. Egal ob orientalische Musik- und Tanzeinlagen, Märchenreflexionen, Klamauk, Slapstick oder animierte Wollfiguren, als Zuschauer muss man im Verlauf dieser 102 Minuten einfach auf alles gefasst sein. Die ungebremste Lust am Experiment ist dann auch die größte Stärke eines Films, der in seiner überdrehten Rastlosigkeit bisweilen die eigentliche Geschichte aus den Augen verliert. Dass diese praktisch im Autopilot-Modus auf ein absehbares Über-Happy-End zusteuert, das kann „Salami Aleikum“ letztlich mit keinem noch so ausgefallenen inszenatorischen Gimmick kaschieren. Überraschungen finden sich dafür ganz woanders. Kaum jemand hätte erwartet, dass Ahadi nach der preisgekörnten Dokumentation „Lost Children“ über afrikanische Kindersoldaten in seinem Spielfilmdebüt einen strickenden Metzgersohn auf eine ostdeutsche Ex-Kugelstoßerin treffen lässt.

Marcus Wessel

Mohsen Taheri ist ein junger in Köln lebender Perser, der scheu ist und eher verschlossen, der viel träumt und viel strickt. Vater Taheri, Schlachter und Inhaber einer Metzgerei, hätte gern einen tatkräftigen Sohn – und den könnte er auch bald bekommen. Denn als ihm wegen illegaler Abfallentsorgung die Betriebserlaubnis entzogen wird, muss der Sohn ran.

Das einzige, was Mohsen an den fürs Schlachten bestimmten Schafen interessiert, ist die Wolle. Er ist bereit, Schafe in Polen zu besorgen.

Unterwegs in der früheren DDR, in „Oberniederwalde“, bleibt sein Auto liegen. Der junge Iraner tritt ein in die Welt der Ossis, genauer gesagt in die Wirtsstube der Bergheims. Der Empfang ist gemischt. „Zu den Ausländern darf man nicht zu freundlich sein.“

Die Bergheim-Tochter Anna ist so etwas wie eine Wuchtbrumme, früher gedopte Kugelstoßerin, groß, aber sympathisch. Weil sie tierlieb und Vegetarierin ist, wagt Mohsen nicht, ihr anzuvertrauen, dass er als Schlachter arbeitet. Er gibt sich als Sohn reicher Leute aus.

Das trifft sich gut, denn die Bergheims, die zu DDR-Zeiten erfolgreiche Textilfachleute waren, würden gerne wieder in ein größeres Geschäft einsteigen. Da könnte ein reicher Schwiegersohn gute Dienste leisten.

Anna und Mohsen kaufen unterdessen in Polen Schafe ein. Dass mit Mohsens Märchenerzählung die Weichen völlig falsch gestellt sind, ahnt noch niemand.

Die Verwirrung wird noch größer, als Mohsens Eltern in Oberniederwalde auftauchen. Es findet eine Verbrüderung statt, die Bergheims richten ihr Restaurant persisch ein, Investoren aus China werden abgewiesen, jeder glaubt, das große Gelingen und das große Geld stünden vor der Tür.

Bis Mohsen alles beichten muss, die Bergheims merken, dass ihr neues Textilgeschäft ein Luftschloss bleiben wird und die Taheris begreifen, dass sie nicht wie erhofft von den Bergheims profitieren können.

Der Frust ist allseits groß. Es muss noch eine Menge passieren, bis es wieder zu allgemeiner Zufriedenheit, zur Versöhnung zwischen Anna und Mohsen, zu Freude, Tanz und Gesang sowie zu einer Hochzeit kommt.

Eine Komödie mit vielen Stilelementen – neben dem Realfilm auch Zeichentrick, Phantasiegebilde, Verzierungen und Märchenteile -, einigen originellen Handlungswendungen, ein paar gekonnten Gags und eine Reihe netter Einfälle, auch was die Dialoge betrifft. Ein stilistische Mischmasch, jedoch ein vergnüglicher, der sich handwerklich und „künstlerisch“ sehen lassen kann und dessen locations ganz gut ausgewählt wurden. Was will man zur anspruchslosen Unterhaltung mehr?

Ein gewisser Anspruch ist durchaus vorhanden. Denn der Film hat auch eine ideelle Seite, bei der es neben der Suche nach einem neuen Lebensanfang darum geht, dass Einheimische und Fremde, Wessis und Ossis, Perser und Polen und all die anderen sich vertragen müssen und dies letztlich auch tun.

Die Darsteller fanden sich exzellent in die Charakteristika ihrer Rollen hinein: Navid Akhavan als Mohsen, Anna Böger als Bergheim-Tochter, Wolfgang Stumph als Vater Bergheim und Michael Niavarani als Vater Taheri – beide besonders gut – sowie Proschat Madani als Mutter Taheri und Eva Maria Radoy als Mutter Bergheim.

Thomas Engel