Nach mehreren Komödien versucht sich die Autorin und Regisseurin Yasemin Şamdereli an einem Drama, der wahren Geschichte einer somalischen Olympionikin. Der Film funktioniert über weite Teile hinweg wie ein Sportlerdrama, mit dem zusätzlichen Element, dass Samia sich gegen die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau stellen muss. Aber „Samia“ ist weit mehr als das. Auch eine Geschichte über die Gründe, wieso Menschen Flüchtlinge werden.
Website: https://weltkino.de/filme/samia
Samia
Deutschland / Italien / Belgien / Schweden 2024
Regie: Yasemin Şamdereli
Buch: Yasemin Şamdereli, Nesrin Samdereli, Giuseppe Catozzella
Darsteller: Ilham Mohamed Osman, Fathia Mohamed Absie, Fatah Ghedi, Elmi Rashid Elmi, Waris Dirie, Riyan Roble, Zakaria Mohammed
Länge: 102 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 19. September 2024
FILMKRITIK:
Mit neun Jahren träumt Samia in Mogadischu davon, eine Läuferin zu werden. Sie will in Olympia für ihr Land laufen, aber sie lebt in einem Land, in dem Mädchen Sport untersagt ist, in denen Frauen den Hijab tragen müssen, in denen Singen unter Strafe steht. Ein Land, zerrissen im Machtkampf verschiedener Splittergruppen, aber vom ganz harten Islam geprägt. Samia setzt sich über alle Hindernisse hinweg, sie wird Olympionikin in Peking im Jahr 2008. Aber auch danach wird das Leben nicht leichter oder besser. Im Gegenteil, es endet tragisch.
Yasemin Şamdereli hatte mit „Almanya – Willkommen in Deutschland“ im Jahr 2011 Erfolg. Danach viel es ihr schwer, weitere Projekte finanziert zu bekommen, mit „Samia“ gelingt ihr nun aber auch der Genrewechsel – weg vom Lustigen des „culture clashs“, hin zu einem Drama, das auf mehreren Ebenen funktioniert. Mehr noch: Es punktet, weil es sich den Konventionen und Regeln eines Sportlerdramas verschrieben hat, das diesem Subgenre inhärente Happyend aber fehlt. Weil die wahre Geschichte eben eine andere ist.
„Samia“ lebt von einer positiven Stimmung, von einem immensen Optimismus, der sich durch die Hauptfigur, aber auch ihr familiäres Umfeld äußert. Weil ihr Vater nicht so ist, wie es die Väter in Somalia sind. Er unterstützt die Träume seiner Tochter, auch wenn jedes Mal, da sie trainieren geht, die Gefahr besteht, dass sie einer Patrouille in die Arme laufen könnte. Denn Sport ist Frauen untersagt, wie so vieles in dem islamischen Land. „Samia“ wirkt wie die freundlichere Version von „Tatami“, aber der Schein trügt. Das weiß jeder, der die wahre Geschichte kennt.
Denn die Sportgeschichte ist eine, die mit einem Erfolg endet, der sich auf vielerlei Art äußert, insbesondere aber, weil ein Mädchen ihren Traum nie aus den Augen verloren und es geschafft hat, ihn wahr werden zu lassen. Das ist die eine Seite der Medaille, die andere ist, dass „Samia“ auch eine Flüchtlingsgeschichte ist, die an „Ich Capitano“ erinnert. Denn der Film verläuft nicht linear, es gibt immer auch die zukünftigen Szenen, wenn Samia versucht, ihr Land zu verlassen und sich auf die Reise nach Europa begibt.
Im Grunde dient ein Film wie „Samia“ damit zwei Herren – dem positiv aufgeladenem Sportfilm und dem an die Nieren gehenden Drama. Dass beide Teile harmonieren, ist nicht nur der Regisseurin, sondern auch der Hauptdarstellerin Ilham Mohamed Osman zu verdanken, die dem Sterben im Mittelmeer ein Gesicht gibt und mahnt, dass Menschlichkeit nicht an Grenzen enden darf.
Peter Osteried