Schock

Rigorose Genre-Kino gibt es hierzulande selten. „Chiko“ war einst so ein Glücksfall. Dessen Filmpreis gekrönter Darsteller Denis Moschitto wählt für sein Regiedebüt nun gleichfalls ein Ganovenstück der ziemlich knallharten Art. Er selbst spielt darin einen Arzt, der zwischen die Fronten des organisierten Verbrechens gerät. „Jerks“-Macher Fahri Yardim ist stets für kreative Kicks zu haben. Hier gibt er den skrupellosen Schwager des überforderten Helden und agiert zugleich als einer der Produzenten. Kein Film für schwache Nerven. Ein großes Fressen für Genre-Fans.

Webseite: https://www.filmweltverleih.de/cinema/movie/schock

D 2023
Regie: Daniel Rakete Siegel, Denis Moschitto
Darsteller: Denis Moschitto, Fahri Yardim, Aenne Schwarz, Anke Engelke
Länge: 104 Minuten
Verleih: Filmwelt Verleihagentur GmbH
Kinostart: Januar 2024

FILMKRITIK:

„Wann kann sie wieder arbeiten?“ - „Gib ihr ne Woche!“. Im Rotlicht-Milieu weht traditionell ein rauer Wind. Der illegalen Sex-Arbeiterin wurde improvisiert der Zahn gezogen. Wenig später gibt es gravierende Komplikationen. Doktor Bruno (Denis Moschitto) müht sich redlich. Seit er wegen dubioser Geschäfte seine Approbation verloren hat, muss er im Untergrund praktizieren. Unter Gangstern gilt Bruno als Geheimtipp. Für einen leukämiekranken Mafia-Boss ist er der letzte Strohhalm: 50.000 Euro bietet dessen Anwälten für eine illegale Antikörper-Therapie. Solch fürstlicher Lohn der Angst bringt freilich unerwartete Risiken und Nebenwirkungen mit sich.

Ganovenehre? Vermutlich Fehlanzeige! Kann der zunehmend verzweifelte Bruno in seiner Not dem befreundeten Dealer oder wenigstens dem eigenen Schwager trauen? Immer mehr gerät der Arzt in den Strudel des Verbrechens, die Spirale der Gewalt dreht sich unaufhaltsam weiter. Leichen pflastern seinen Weg, als die Clans immer brutaler ihre Gelder eintreiben und blutige Rachefeldzüge unternehmen.

Atmosphärisch dicht und mit denkbar düsteren Bildern ausgestattet, präsentiert sich diese knallharte Gangster-Saga. Brutal und blutig geht es bisweilen zur Sache. Einige Szenen dürften dabei zur Publikumsmutprobe geraten: Schaust du noch oder hältst dir bereits Augen und Ohren zu? Clan-Leben ist eben keine Gangster-Folklore: Hinter Möchtegern-Coolness und Respekt-Getue steckt das banale Böse samt stumpfsinnigem Hass. Menschsein in einer seiner wohl widerwärtigsten Varianten.

Wie einst in „Chiko“ vermag Denis Moschitto im eigenen Regie-Debüt mit Charisma und Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Fahri Yardim gilt ohnehin längst als einer der besten Mimen seiner Generation. Ganz egal, was es zu spielen gibt, Yardim erweist sich stets als perfektes Chamäleon. Mit seiner unangestrengten Lässigkeit spielt er locker in der Robert de Niro-Klasse. Dass er als Produzent solche rigorosen Stoffe erst möglich macht, spricht umso mehr für den übercoolen Kreativen aus dem hohen Norden. Was Anke Engelke hier als Anwältin zu suchen hat? Nicht viel, lediglich ein Gastauftritt, ein „Danke Anke“-Sahnehäubchen.

Auf das nächste wüste Werk von Moschitto-Yardim darf man gespannt sein. Risikobereites Kino sorgt allemal für den notwendigen Arthaus-Kick und ist in KI-Zeiten wohl wichtiger denn je. Der nächste Streich bringt dann vielleicht ja Harald Schmidt als Sidekick…

Dieter Oßwald