Schöner leben

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Heiligabend in Berlin: Regisseur und Autor Markus Herling erzählt fünf Handlungen und Schicksale von Menschen, die täglich zwischen Vision und Alltag leben. Ein Film über Einsamkeit, Sehnsucht und Hoffnung, aber gleichzeitig auch eine kurzweilige Liebeserklärung an ein graues, winterliches Berlin zur Weihnachtszeit.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2007
Regie & Buch: Markus Herling
Darsteller: Karin Düwel, Klaus Gehrke, Susann Ugé, Ruth Krüger-Willkomm, Joel Eisenblätter, Andreas Guenther, Hans Klima, Pasquale Aleardi, Isabella Parkinson, Max Herbrechter
104 Minuten
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 15.11.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Berlin im Winter ist nicht unbedingt der schönste Ort der Welt. Fühlt man sich im Sommer durch das ständige menschliche Vibrieren und das sagenhafte Kulturprogramm auf Augenhöhe mit New York oder London, zeigt einem die Hauptstadt in den Wintermonaten ihre nasskalte Fratze, die man sogar durch den schwarzen aufsteigenden Rauch der Kohleöfen nur leider zu gut erkennt. Inmitten der scheinbaren Tristesse platziert Regisseur Markus Herling seine Handlung, die alles andere als grau in grau ist.
 

In der Weihnachtsnacht folgt er fünf Protagonisten: Elke (Susann Ugé), allein erziehende Mutter und chronisch pleite, versucht mit allen Mitteln ihren Kindern ein Weihnachtsessen in einem Restaurant zu ermöglichen. Dafür steigt sie auch mit ihrem Nachbarn Sebastian (Andreas Guenther) ins Bett, um sich so Geld von ihm leihen zu können. Der sieht nervös dem alljährlichen Treffen mit seinem Vater (Hans Klima) entgegen, dem das Leben aus den Händen zu gleiten droht. Das Gleiche gilt für Joseph (Pasquale Aleardi), der nach der Trennung von seiner Freundin keinen klaren Gedanken mehr fassen kann und die Abende melancholisch mit mehreren Flaschen Rotwein verbringt. Der verwitwete U-Bahnfahrer Otto (Klaus Gehrke) kennt sich dafür mit Einsamkeit aus und wird leicht nervös, als er für einen Tag die vitale Reinigungsmittelvertreterin Sieglinde (Karin Düwel) vor die Nase gesetzt bekommt. Und dann ist da noch der zweitklassige Schauspieler Alwin (Max Herbrechter), der bei einem Casting für eine Krankenhaus-Soap scheitert und sein wahres Talent kurz darauf in der Berliner U-Bahn unter Beweis stellt.

Aufmerksam folgt man den Figuren, die alle mit der Tragik des Alltags zu kämpfen haben, doch dabei erstaunliche Kräfte an den Tag legen. Ein ständiger Hoffnungsschimmer leuchtet an diesem Tag für sie wie der Weihnachtsstern, denn selbst in schier auswegslosen Situationen eröffnen sich ständig wieder Möglichkeiten. Weiter gehen tut es immer, man weiß nur erstmal nicht auf welche Weise. Ähnlich wie in den Filmen von Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“) liegen die großen filmischen Momente hier in den kleinen Augenblicken, den unscheinbaren Gesten und den detaillierten Beobachtungen eines Milieus, das irgendwo zwischen Mittelschicht und Hartz-IV liegt. Regisseur Markus Herling drückt es folgendermaßen aus: „Ich wollte keinen Film machen über Menschen, die vor Sehnsucht dahinvegetieren, sondern über Menschen, die etwas zu erledigen haben und sich den Dingen, die an ihn haften stellen müssen, ob sie wollen oder nicht. Da wird die Feigheit schon mal mit einem Herzinfarkt bezahlt, der Schmerz im Loslassen besser ertragen, die Entschlossenheit mit Glück belohnt oder das Leben in Vergangenem in Frage gestellt.“

Wer in diesem Kinowinter einen Bogen um die rührseligen Familiengeschichten im Blockbusterformat machen will, hat mit „Schöner leben“ die bessere Wahl getroffen, denn einen wahrhaftigeren und menschlicheren Weihnachtsfilm hat es lange nicht gegeben. Ein Wintermärchen aus Berlin.

David Siems 

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24. Dezember in Berlin. Das Radio läuft und wird von denen gehört, die später in dem Film eine Rolle spielen werden. Die U-Bahn fährt. Zufälligerweise wird sie die Protagonisten vereinen.

Da ist Joseph, der von seiner Freundin Maria verlassen wurde und deshalb fast am Zusammenbrechen ist. Ohne die Hilfe einer Therapeutin wird er wohl nicht durchkommen.

Da ist Elke, die ohne einen Cent dasteht und ihren Kindern Dennis und Simona wohl kein Weihnachtsgeschenk wird kaufen können. Simona ist darüber sehr wütend und reißt aus zu ihrem Vater. Elke hofft, vom Nachbarn Sebastian etwas Geld zu bekommen, wenn sie mit ihm schläft.

Sebastian wird sich mit seinem Vater Werner treffen. Einmal im Jahr, an Weihnachten, kommt der, um seinen Sohn zu besuchen. Das Geld für sein Pensionszimmer hat auch er nicht.

Otto ist U-Bahn-Zugführer. Er will für seine Frau ein Geschenk kaufen, obwohl sie längst tot ist. Vielleicht wird die Vertreterin Sieglinde ihn aus diesem Lebensstillstand herausreißen. Sie steigt zu ihm in den Fahrerstand, weil sie für ihr Patenkind in Namibia einen speziellen Film drehen will.

Der Schauspieler Alwin hofft bei einem anstehenden Casting auf eine gute Rolle. Doch er wird in einer Serie nur einen in Koma liegenden Patienten spielen dürfen.

Sie alle werden sich wenn auch unabhängig voneinander in der von Otto gesteuerten U-Bahn einfinden. Und sie alle werden aus ihrer leidigen Situation doch noch einigermaßen herauskommen. Schließlich ist Heiligabend.

Der Film handelt von Menschen, sagt Autor und Regisseur Markus Herling, die sich den Dingen, die an ihnen haften, stellen müssen, ob sie wollen oder nicht. So ist es. Joseph, Werner, Elke, Otto und die anderen müssen, so unterschiedlich ihre Herkunft, ihr Charakter, ihre allgemeinen Lebensumstände, ihre aktuelle Situation sind, zurechtkommen, Lösungen finden, es schaffen, weiterleben.

Das wird thematisch anschaulich geschildert und ist filmisch und formal durchaus nicht von schlechten Eltern. Erwähnenswert das den Rollen gut angepasste Spiel der Darsteller und der schlüssige Schnitt.

Berliner Alltagsdramen um eine Handvoll Menschen, von denen jeder sein Kreuz zu tragen hat – die einen ein kleineres, die andern ein größeres. 

Thomas Engel