Schumanns Bargespräche

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Mit ihrer Dokumentation über Charles Schumann, den legendären deutschen Bartender, zeigt Marieke Schroeder eine Reise in die Welt der Bars, die mehr vom Genießen handelt als vom Trinken und mehr von den Menschen hinter dem Tresen als davor. In sanften Bildern und von feiner Jazzmusik begleitet, ist der Film ein Kulturtrip der besonderen Art: Er macht Lust darauf, die Welt der Bars und Bartender näher kennen zu lernen.

Webseite: www.schumannsbargespraeche-derfilm.de

Dokumentarfilm
Deutschland 2016
Buch und Regie: Marieke Schroeder
Länge: 103 Minuten
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 12. Oktober 2017

FILMKRITIK:

Charles Schumann ist ein neugieriger Mann. Er betreibt das „Schumann’s“, eine angesagte Bar in München und interessiert sich für beinahe alles und jeden, ist Autor, Reisender, Model und Bonvivant, trotz seiner 75 Jahre noch immer sehr umtriebig. Am meisten beschäftigt er sich mit Bars, Cocktails und allem, was dazugehört. Seit den 80er Jahren, als er in München seine erste Bar eröffnete, ist er eine bekannte Größe in der deutschen Gastronomieszene. Er liebt Geschichten, besonders wenn sie gut sind, und so beginnt er sich in seiner eigenen Geschichte einzurichten und sie immer besser zu machen. Denn Charles Schumann ist auch ein Macher, einer von der liebenswürdigen Sorte, wie es scheint. Er weiß charmant zu plaudern, erweist sich dabei als humorvoll und klug, aber so ist er eigentlich nicht oder jedenfalls nicht nur, und wie es sich für einen richtig guten Barmann gehört, gibt er zunächst wenig von sich preis. Er wird bald zum angenehmen und kundigen Reisebegleiter, der sein Publikum schließlich bis nach New York, Havanna und Tokio führt, immer auf den Spuren des Geheimnisses, das eine gute Bar ausmacht. Der Macher wird zum Gast, der Erzähler wird zum Protagonisten seiner eigenen Geschichte. Und in den Bars scheinen noch mehr Menschen zu sein, die so sind wie er. Jede Bar ist eine eigene, kleine Welt, und Schumann scheint sich in jeder dieser Welten wohlzufühlen.
 
Ganz beiläufig, scheinbar absichtslos wird aus dem Gespräch mit ihm hin und wieder auch ein Gespräch über ihn, so dass im Verlauf des Films ein Bild entsteht. Kein vollständiges natürlich, denn Charles Schumann entzieht sich jeder auch nur angedeuteten Entblößung seiner Persönlichkeit. Nur selten scheint er wirklich aus sich herauszugehen. Wenn er vom Boxen spricht beispielsweise. Tatsächlich ist Schumann noch immer aktiv im Training. Aber er ist auch ein begeisterter Klavierspieler. Und gerade diese scheinbaren Gegensätze zu seinem Job als Gastgeber und Gesellschafter macht ihn noch interessanter. Charles Schumann ist noch immer ein besessener Arbeiter, der in seinem eigenen Laden jeden Tag in der Küche oder hinter dem Tresen steht. In seinen Gesprächspartnern spiegelt sich das Bild eines Mannes, der sich das Leben ganz offenbar nicht besonders leichtgemacht hat, aber nie jammern würde oder auch nur darüber sprechen wollte, welche Schwierigkeiten er hatte und wie sehr ihm das zu schaffen gemacht hat. Sein Image ist ihm wichtig – Charles Schumann ist irgendwie sehr cool, sehr charismatisch, ein bisschen geheimnisvoll. Seine Gesprächspartner in aller Welt, darunter viele Barmixer und Barkeeper, schätzen ihn vielleicht auch deshalb so sehr, weil er sich nie zu verstellen scheint und immer er selbst bleibt: witzig, grantig und kantig.
 
Die sensible Kamera von Niv Abootalebi macht den Film auch optisch spannend. Die Bilder sind ruhig und gelegentlich so statisch, dass die Persönlichkeiten der handelnden Figuren umso stärker hervortreten. Die Musik ist eher leicht, unterstützt dabei mit klassischen Barklängen und leichten Improvisationen eine Geschichte, die nur auf den ersten Blick von der trivialen Welt des Trinkens handelt. Schumann macht daraus eine Welt des Genießens und des Genusses – und ebenso aus dem Film.
 
Gaby Sikorski