Schwere Jungs

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Während Marcus H. Rosenmüllers herrlich surrealistischer Komödienstadl „Wer früher stirbt ist länger tot“ sich weiterhin als Dauerbrenner an der Kinokasse erweist, geht nun des Bayern zweiter Streich ins Rennen. Wieder spielen darin das Alpenland und ein Radioreporter eine Rolle, die Geschichte selbst beruht auf wahren Begebenheiten. Zugetragen haben sie sich 1952 bei Olympischen Winterspielen, bei denen ein deutscher Bob zur Goldmedaille fuhr. Das Hochgefühl eines Wunders von Oslo kann die insgesamt charmante und vom Konflikt zweier rivalisierender Bobfahrer lebende Nachkriegskomödie jedoch nicht beschwören.

Webseite: www.schwerejungs.film.de

Deutschland 2006
Regie: Marcus Hausham Rosenmüller
Mit: Sebastian Bezzel, Nicholas Ofczarek, Michael A. Grimm, Simon Schwarz, Antoine Monot Jr., Maximilian Brückner, Daniel Zillmann, Liane Forestieri, Lisa Maria Potthoff, Horst Krause, Bastian Pastewka
94 Minuten
Verleih: Constantin Film
Start am 11.1.07

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Schon von Kindesbeinen an sind sich die Burschen vom Braumeister Dorfler und Schreinereibesitzer Gamser nicht grün. Mit Seppelhüten auf dem Kopf und in Loden gekleidet konkurrieren sie 1936 während ihrer Kindheit in den verschneiten Bergen ihrer Heimatstadt Garmisch-Partenkirchen bei einer privaten Olympiade um die Goldmedaille beim Schlittenrennen. Auf den letzten Metern jedoch bricht der führende Schlitten vom Gamser auseinander, der gehasste Konkurrent hat das Lachen wieder einmal auf seiner Seite. 16 Jahre später hat sich an den Rahmenbedingungen nichts geändert. Der Gamser (Sebastian Bezzel) krebselt in einer verschuldeten Schreinerei einer kargen Existenz hinterher, der Dorfler (Nicholas Ofczarek) gibt sich als Erbe der väterlichen Brauerei als Krösus, genießt zudem auch als amtierender Bobweltmeister großes Ansehen. Bei den anstehenden Olympischen Winterspielen in Oslo will der Gamser seinem Feind nun endlich zeigen, wer der bessere Bobfahrer ist.

Wahr an dem von Philip Roth geschriebenen Drehbuch ist, dass die tatsächlich aus Garmisch stammenden Andreas Ostler und Lorenz Niebert 1952 im Zweier- wie auch im Viererbob Gold gewannen. Weil auch ihre Kollegen Friedrich Kuhn und Franz Kemser Schwergewichte waren – im Durchschnitt brachten sie 188 Kilogramm auf die Waage -, veranlasste dies den Internationalen Bobverband damals, das zulässige Gewicht auf 375, bzw. 630 Kilogramm inklusive Bob zu limitieren. Damit die beiden zerstrittenen Teams in „Schwere Jungs“ nun im Sinne einer Erfolgsmaximierung ihre Chancen auf der von langen Geraden dominierten Osloer Bobbahn erhöhen können, entscheidet Gamser, die vier schwersten der acht Garmischer Buam in den Schlitten ‚Deutschland I’ zu setzen. Er selbst verzichtet damit freiwillig auf sein Ziel, den Dorfler offiziell zu schlagen. Mit Aufgehen der Taktik steht den Streithähnen auch die Versöhnung wieder offen und kann Maximilian Brückner als Radioreporter frohe Botschaften wie auch persönliche Geständnisse in die Heimat senden.

Die Motive der Nachkriegskomödie sind mit Konkurrenzkampf, Siegeswillen und Teamgeist schnell umrissen, im Fall des hier gegebenen sportlichen Hintergrunds sind sie Standard. Anders als beim weitaus bekannteren Wunder von Bern, das ja einen Ruck durch eine ganze Nation gehen ließ, bleibt „Schwere Jungs“ hier in seiner kleinen Welt gefangen, das Nachkriegsleben selbst wird ausgeklammert. Dafür widmet sich „Schwere Jungs“ einer Vielzahl von Nebenfiguren. So hegen der deutsche Botschafter (Horst Krause) und sein schüchtern-verklemmter Assistent von Hase (Bastian Pastewka) die Hoffnung, durch einen deutschen Erfolg das Ansehen Deutschlands in der Weltöffentlichkeit wieder in ein positives Licht rücken zu können. Entsprechend besorgt verfolgen sie, wie durch Verwechslungen und Missverständnisse bedingt die Mitglieder in Gamsers Team wiederholt unangenehm auffallen und es immer wieder auch mit Dorflers Mannen zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommt.

Aufgrund der konventionellen und spürbar um die wahren Begebenheiten herum konstruierten Ereignisse wie dem Gamser-Dofler-Konflikt, der Ehekrise des als Bremser eingesetzten Leusl (Simon Schwarz) oder des geschäftstüchtigen Gustls (Antoine Monot Jr.) Idee, gefragte Sexheftchen aus Norwegen zu schmuggeln, wäre es verkehrt, „Schwere Jungs“ mit Marcus H. Rosenmüllers „Wer früher stirbt ist länger tot“ zu vergleichen. Zwar sorgt auch hier der bayerische Dialekt für ein Gefühl der Authentizität und hat die Ausstattung erfolgreich die 1950er Jahre vor die Kamera geholt – das Gefühl vom Ruck durch Deutschland bleibt am Ende dieses unterhaltsamen Wintermärchens aber aus.

Thomas Volkmann