Schwester Weiß

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Nonnen taugen traditionell als ebenso vielseitiger wie populärer Filmstoff. Ob surreal verstörend, wie einst bei Luis Bunuels „Viridiana“. Oder knallig spaßig à la „Sister Act“. In der Comedy-Klasse spielt auch dieses Zweitlingswerk von Dennis Todorovic. Komödie und zweiter Kino-Streich? Keine leichte Übung also. Doch der Coup gelingt: Die Geschichte um zwei ungleiche Schwestern, von denen die eine im Kloster lebt und die andere nach Unfall und Koma keine Erinnerung mehr an ihr Leben hat, überzeugt durch die elegante Erzählweise, sein exzellentes Ensemble sowie ein Schwäbisch, das so charmant und stimmig ausfällt, wie der ganze Film. Im Dialekt bleibend, kann das Urteil hier nur lauten: „Scho‘ recht!“. Nicht geschimpft gilt dem Schwaben schließlich als das größte Lob. Auf alle Fälle einer der zehn deutschen Filme, die man in diesem Jahr gesehen haben sollte.

Webseite: www.wfilm.de

D 2015
Regie: Dennis Todorovic
Darsteller: Zeljka Preksavec, Lisa Martinek, Beatrice Richter
Filmlänge: 97 Minuten
Verleih: w-Film
Kinostart: 20. Oktober 2016
 

FILMKRITIK:

„Das mit dem Sterben habe ich schon hinter mir“, sagt Helene irgendwann. Bei einem tragischen Autounfall hat sie den Ehemann und ihre kleine Tochter Maja verloren. Als sie im Krankenhaus aufwacht, fehlt ihr jede Erinnerung. Ihre ältere Schwester Martha, Oberin in einem Franziskanerkloster, ist wie eine fremde Frau für Helene. Vergessen sind damit auch jene langjährigen Querelen, die die beiden ungleichen Geschwister miteinander verband. Doch neuer Streit bricht aus, als es um die Frage geht, wie die kleine Maja bestattet werden soll. Für die strenggläubige Tante kommt nur eine kirchliche Beerdigung in Frage. Die resolute Großmutter jedoch besteht auf einer Waldbestattung für ihren Sohn und die Enkelin. Für die Heldin gerät die Entscheidung zur Zwickmühle. „Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“, wehrt sie das Drängen der Verwandtschaft ab. Ohne Erinnerung freilich, fühlt sich Helene wie eine Fremde in der eigenen Familie.   
 
Regisseur Dennis Todorovic hat sein Talent bereits mehrfach unter Beweis gestellt: Für seinen Uni-Abschlussfilm „ Amor Fati“ gab es prompt die Einladung nach Locarno sowie eine Nominierung und für den First Steps Award. Sein Kino-Debüt „Sascha“ sorgte vor sechs Jahren für Furore im internationalen Festivalzirkus, unter anderem in Hof. Dort ging auch „Schwester Weiß“ ins Rennen und war gut gelitten.
 
So schwermütig wie das Poster, der holprige Titel sowie jenes tiefgründelnde Psalm-Zitat im Vorspann befürchten lässt, gerat dieses religiöse Trauerspiel nicht: Ganz im Gegenteil, schon schnell wird klar, dass diese flotte Tragikomödie den existenziellen Themen mit vergnüglicher Leichtigkeit begegnet. Das gelingt, weil die Figuren plausibel entwickelt sind und nicht minder gut gespielt: Zeljka Preksavec (Martha) und Lisa Martinek (Helene) geben das ungleiches Schwester-Paar mit Präzision sowie dem notwendigen Empathie-Potenzial, womit sie gängigen Klischeefallen erfolgreich trotzen. Als perfekte Besetzung für die böse Schwiegermutter erweist sich derweil „Sketchup“-Ulk-Urgestein Beatrice Richter.

Die Pointen-Perlen der hübsch geschliffenen Dialoge reichen von „Sind Sie eine Ordensschwester?“ – „Nein, ich bin die Schwester einer Ordensschwester.“ bis zu „Kommt Frau Weiß auch zur Vesper?“ – „Gibt’s ein Vesper?“. Als Sahnehäubchen wird in charmantem Schwäbisch gesprochen, das nicht nur verständlich ausfällt, sondern vor allem rundum stimmig klingt.

Dieter Oßwald