Seneca

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Schwein oder nicht Schwein? Das ist hier die Frage! Was Macht mit Menschen macht, das macht Robert Schwentke zu seinem Thema. Nach Hollywood-Erfolgen mit „R.E.D.“ oder „Snake Eyes: G.I. Joe“ wechselt der aus Stuttgart stammende Robert Schwentke vom Popcorn zur Philosophie und lässt John Malkovich als „Seneca“ auferstehen. Der wortgewandte Lehrer von Nero fällt beim Despoten in Ungnade und wird zum Selbstmord gezwungen. „Buñuels Dinnerparty, die niemals endet“, verspricht der Regisseur und lässt Malkovich in dieser schrägen, philosophischen Polit-Komödie mit einer schwindelerregenden tour de force auftreten.

Webseite: https://www.weltkino.de/filme/seneca

Deutschland / Marokko 2022
Regie: Robert Schwentke
Darsteller: John Malkovich, Tom Xander, Louis Hofmann, Andrew Koji, Julian Sands, Geraldine Chaplin, Alexander Fehling, Lilith Stangenberg, Mary-Louise Parker, Samuel Finzi, Wolfram Koch, Samia Chancrin

Filmlänge: 112 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 23. März 2023

FESTIVAL: 73. Berlinale Special Gala

FILMKRITIK:

Dem Schauspiel-Exzentriker John Malkovich wurde das Drehbuch eigens auf den Leib geschrieben, „Being Seneca“ sozusagen. Prompt gibt er dem Affen reichlich Zucker bei dieser schillernden Figur. Durchgeknallt, korrupt, selbstverliebt ist dieser Philosoph. Last not least ein moralischer Gernegroß, der Armut predigt und zu den reichsten Bonzen von Rom gehört. Nach dem Vorspann auf steinernem Mosaik, beginnt das Spektakel mit einem absurden Auftritt à la „Monty Python“. Ein Kommentator hält dazu die Einführung. „Seneca war Senator. Und galt als klügster Mann von Rom. Er hatte auch den Job, Nero in allen Angelegenheit zu unterrichten. Und wurde zum Lebensberater unseres massenmordenen Präsidenten auf Lebenszeit. Eine schlechte Idee. Die Seneca das Leben kosten sollte.“ Irgendwo im Nirgendwo doziert Seneca auf einer surrealen Theaterbühne über rhetorische Tricks mit passenden Metaphern. Reden wird der Titelheld noch reichlich, fast pausenlos bis hin zu seinen letzten Atemzügen. An Theaterhaftigkeit herrscht gleichfalls kein Mangel bei diesem surrealen Lehrstück über das Fressen und die Moral. Sogar der Klimawandel gerät zum antiken Thema.

Mit wenigen Pinselstrichen werden die Eckpfeiler der Geschichte des berühmten Philosophen skizziert. Wie er zum Tyrannenflüsterer bei Nero wird. Wie er beim Despoten in Ungnade fällt. Hätte er doch besser auf den Rat der Mutter gehört und immer nur „Ja, Herr Präsident“ gesagt! Nun verlangt der launische Nero den Selbstmord seines Lehrers, ein ultrabrutaler Gladiator wird das gnadenlos überwachen. Bis es soweit kommt, erfährt man noch allerlei von des Philosophen Doppelleben: Für reiche Römer inszeniert Seneca albtraumhaftes Theater der absurden Art, welches zum Schrecken es exklusiven Publikums rigoros mit dem Herrscher abrechnet.

„Buñuels Dinnerparty, die niemals endet!“, verspricht Autor und Regisseur Robert Schwentke und hält ein Füllhorn verrückter Ideen bereit. Komik kommt gleichfalls kaum zu kurz. Sei es mit des Tyrannen „Mum“- und Herzchen-Tatowierung auf dem Oberarm. Oder dem Kommentar einer gelangweilten Zuschauerin während dem Theaterstück: „Nicht schon wieder etwas Politisches!“.

Verquastes Kunst-Kammerspiel oder vergnügliches Philosophie-Seminar über Macht, Korruption und Klimawandel? Reine Geschmacksache! Ebenso wie die Beurteilung des John Malkovich: Schauspielerische Meisterleistung? Oder derart übertriebene Selbstbeweihräucherung, dass es zur unfreiwilligen Parodie seiner Gockelhaftigket gerät? Um es mit Seneca selbst zu sagen: „War das nichts weiter als eine mittelmäßige Nachmittags-Vorstellung im Stadttheater?“. Diese Philosophie-Revue dürfte polarisieren, das ist schließlich die Kunst der Kunst. Unbestritten bleibt allemal: Risikobereites Kino der rigorosen Art findet sich selten genug auf hiesigen Leinwänden. Zumal mit einem internationalen Star-Ensemble, das von Geraldine Chaplin über Julian Sands und Mary-Louise Parker bis zu Louis Hofmann, Lilith Stangenberg und Alexander Fehling reicht. Last not least gibt es für das Publikum noch nachdenklichen Mehrwert mit auf den Weg, Etwa mit der Frage: „Ist es für eine Lampe schlimmer, angezündet oder ausgelöscht zu werden.“.

 

Dieter Oßwald