Silly – Frei von Angst

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Allzu viel ist nicht geblieben von der DDR, was vielleicht auch den anhaltenden Erfolg der Band Silly erklärt, die seit 1978 existiert und seit gut zehn Jahren mit der Frontfrau Anna Loos an alte Erfolge anknüpft. Bei ihrer jüngsten Tour begleitete Sven Halfar die Band und wirft in seiner Dokumentation „Silly – Frei von Angst“ einen Blick auf Vergangenheit und Gegenwart eines Stücks DDR-Geschichte.

Webseite: www.arsenalfilm.de

Dokumentation
Deutschland 2017
Regie & Buch: Sven Halfar
Länge: 113 Minuten
Verleih: Arsenal
Kinostart: 16. November 2017

FILMKRITIK:

Aus Ritchie Barton, Jäckie Rezniczek, Uwe Hassbecker und Anna Loos besteht Silly heute, was interessanterweise bedeutet, dass kein Gründungsmitglied mehr Teil der Band ist. Die drei erstgenannten Männer traten der Band zwischen 1982 und 1987 bei, einer Band, die lange Jahr von ihrer Frontfrau Tamara Danz geprägt war. Äußerlich mit wilden Frisuren und ebensolchen Klamotten passte Silly so gar nicht in die DDR, durch ihre Texte wurden sie erst recht zu Idolen. Dabei verlangte die Zensur des autokratischen Systems, dass nur unterschwellig und verklausuliert Kritik geübt werden konnte, doch gerade die Notwendigkeit in Metaphern und Andeutungen zu sprechen, machte die subtile Qualität der Silly-Texte aus.
 
Nach dem Ende der DDR ging es noch ein paar Jahre weiter, bis das einzig verbliebene Gründungsmitglied Tamara Danz 1996 an Krebs starb, ihren Bandkollegen aber quasi auf dem Totenbett das Versprechen abnahm, Silly nicht auch sterben zu lassen.
 
Doch es vergingen zehn Jahre, bis die Musiker wieder als Silly auftraten, anfangs mit unterschiedlichen Gästen, bis die Schauspielerin und Sängerin Anna Loos ab 2006 festes Mitglied der Band wurde. Das nun die komplette Besetzung neu ist, ist den Mitgliedern wohl bewusst, manche der inzwischen nicht mehr jungen Herren, sehen schon ihre Kinder als Nachfolger Teil der Band werden, um das Projekt Silly fortzusetzen.
 
Während der Tod oder der Ausstieg eines wichtigen Mitglieds – also meist dem Sänger und/oder dem Hauptsongschreiber – für viele Bands das Aus bedeutete, lebt Silly weiter, was einiges über die Rolle einer Band aussagt, die 2018 ihr 40. Jubiläum feiern wird. Doch der bleibende, in den letzten Jahren gar wachsende Erfolg von Silly ist nicht nur ein Produkt der Ostalgie, dafür entwickelt sich die Band zu sehr und auch zu bewusst weiter.
 
Bei den Vorbereitungen zur Herbst-Tour 2016 beginnt Sven Halfars Film, der Proben und erste Konzerte als losen roten Faden benutzt, dabei aber immer wieder Pausen einlegt, Gespräche mit den Musikern zum Anlass nimmt, in die Vergangenheit zu blicken. Kurze Ausschnitte aus Aufnahmen aus den 80er Jahren geben einen Eindruck vom Weg, den Silly genommen hat, in der Erinnerung wird vor allem auch Tamara Danz wieder lebendig, die anfangs mit dem Keyboarder Ritchie Barton liiert war, diesen einige Jahre später jedoch für den Gitarristen Uwe Hassbecker verließ. Ein Beziehungsdrama, der die Band eigentlich hätte sprengen müssen, doch die Freude an der gemeinsamen Musik überwog offenbar die persönlichen Verletzungen, die inzwischen längst Vergangenheit sind.
 
Ohne Konflikte laufen Proben und Konzerte jedoch nicht ab, vier Charaktere prallen da aufeinander, die sich manches Mal in die Haare bekommen, wegen scheinbarer Kleinigkeiten, sich aber stets schnell wieder vertragen. Schmutzige Wäsche wird hier natürlich nicht gewaschen, aber auch kein verklärtes Loblied gesungen. Stattdessen ist „Silly – Frei von Angst“ eine gelungene Mischung aus Tourfilm und Band-Biographie, voller interessanter, amüsanter Blicke hinter die Kulissen einer Band, die zwar in der DDR begann, inzwischen aber einfach eine deutsche Band ist.
 
Michael Meyns